Die Angst vor dem Sprechen (2)
Für Betroffene ist es peinlich, vor allem wenn es wie in den meisten Fällen in Stresssituationen auftritt: Stottern. Diese Redestörung wird ungerechtfertigt oft mit Dummheit in Verbindung gebracht und die Betroffenen ausgelacht. Hier ist professionelle Hilfe von einem Therapeuten nötig.
Ca. 800.000 Menschen (etwa 1% der Bevölkerung) sind von diesem Phänomen betroffen. Die Bundesvereinigung Stotterer-Selbsthilfe versucht, den Betroffenen zu helfen, mit ihrem Problem umzugehen. Dabei sind aber die Ursachen für das Stottern noch immer ein Rätsel. Einer der berühmtesten Menschen mit dieser Sprachstörung war der englische König George VI. In diesem Zusammenhang lohnt es, den Film The King’s Speech von 2010 von Tom Hooper anzusehen: Er schildert anschaulich die Entwicklung des englischen Staatsoberhaupts vom unsicheren Stotterer zum fähigen Staatsoberhaupt.
Ursachenforschung
Die Sprachstörung beginnt generell im Alter von 3 – 4 Jahren auf. Untersuchungen zeigen, dass etwa drei Viertel der vom Stottern betroffenen vor den 6 Lebensjahr damit begannen. Heutige Forscher räumen der Theorie, dass das Stottern vornehmlich psychologische Gründe hat, keinen hohen Stellenwert mehr ein. Probleme im sozialen Umfeld könnten der konkrete Auslöser sein, nicht aber der Kern des Problems, sagt der Wissenschaftler Jürgen Kohler. Dieser ist Dozent an der Hochschule für Heilpädagogik in Zürich. Einen neuen Ansatzpunkt für die Ursachenforschung liefert die neurophysiologische Forschung: Bei betroffenen liegen drei bestimmte Genmutationen vor, die für die Sprachstörung verantwortlich sein könnten. Darüber hinaus stellten Neurologen eine andere Auffälligkeit fest: Bei Stotterern liegt eine überdurchschnittliche Aktivität in der rechten Hirnhälfte vor. Versuche mittels Vertäuben der Testpersonen haben zu erstaunlichen Ergebnissen geführt: Dazu wird eine Versuchsperson mittels Kopfhörern künstlich taub gegenüber dem eigenen Sprachgeräusch gemacht. Während des Versuchs konnten diese ganz normal sprechen. Dies legt die Vermutung nahe, dass die Sprachkontrolle für diese Anomalie verantwortlich ist.
Behandlung
Ein Aspekt für die gesamte Behandlung wichtig: Geduld. Therapien, die lernen das Stottern zu vermeiden, können bis zu drei Monate dauern. Aber auch nach Abschluss der Behandlungen müssen die Betroffenen weiter an sich arbeiten. Während der Behandlungsphase lernen die Patienten, sich eine andere Sprechweise anzugewöhnen, ein Abgewöhnen des Stotterns ist nicht möglich. Schnelles Reagieren hat oberste Priorität: Vor allem durch die Diskriminierungen Anderer, etwa in der Schule oder am Arbeitsplatz, können aus aktiven und offenen Menschen auf Dauer stille Eigenbrötler werden. Hier muss früh angesetzt werden, damit die Betroffenen ihre Angst vor dem Stottern verlieren. Der Verlust der Angst davor, sich anderen mitzuteilen, sorgt für ein völlig neues Lebensgefühl – wie viele ehemalige Patienten aus eigener Erfahrung berichten können.
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- Erstellt am 04.10.2012
- Geschrieben von Markus Müller