Das Menschenbild des Empowerment-Konzepts

Das Menschenbild des Empowerment-Konzepts

In diesem Teilabschnitt erfolgt eine Darstellung des aus Sicht des Empowerments vertretenen Menschenbildes. Basierend auf normativ-ethischen Grundwerten steht die Autonomie des Psychiatrieerfahrenen an erster Stelle. Eng damit verbunden ist der Aufbau einer tragfähigen, vor allem aber partnerschaftlichen Beziehung zwischen Betroffenen und psychosozial Professionellen.

Das Subjekt im Austausch und Interaktion

Als wichtigster aller Aspekte gilt dabei die Interaktionsorienterierung, die auch als Grundlage der anderen Teilbereiche gesehen werden kann. Im Mittelpunkt steht die Theorie, dass ein jeder Mensch nur im gesamtgesellschaftlichen Kontext gesehen werden kann. „Der Mensch ist primär mit anderen, auf andere angewiesen, tut etwas gemeinsam mit anderen, verwirklicht sich im anderen, noch bevor er in ihm auch Grenzen findet." [18]

THURE VON UEXKÜLL [19] sieht den Menschen innerhalb seiner Umgebung in Beziehung mit allen lebenden und unbelebten Objekten, die abhängig von ihrer Bedeutung mehr oder weniger relevant sind. Interaktionen zwischen den Individuen definieren sich durch die erbrachten Leistungen und Gegenleistungen. Dabei werden gelungene Beziehungen als Voraussetzung von Gesundheit gesehen, gestörte jedoch als krankmachende Elemente verantwortlich gemacht.

Gesellschaftsorientierung

Historisch betrachtet war die Stellung vor allem chronisch psychisch kranker Menschen in der Gesellschaft geprägt vom Ausschluss aus der Gemeinschaft. Grundlegende Veränderungen traten erst in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts ein. „Eine wesentliche Prämisse der Psychiatriereform im Europa der Nachkriegszeit war die Sichtweise, dass dem psychisch kranken Menschen sein Platz in der Gesellschaft und im Austausch mit anderen Mitgliedern der Gesellschaft zurückgegeben ist." [21] Inwieweit diese Gleichstellung bis zum heutigen Tag tatsächlich umgesetzt wurde, ist allerdings nicht Gegenstand dieser Arbeit.

Alltag und Lebenswelt

Wie auch bereits bei der Interaktions- und auch Gesellschaftsorientierung wird die alltägliche Lebenswelt als grundsätzlich präsent angesehen. ALFRED SCHÜTZ und THOMAS LUCKMANN beschreiben sie als „[...] Wirklichkeitsregion, in die der Mensch eingreift und die er verändern kann, [...]. Zugleich beschränken die in diesem Bereich befindlichen Gegenstände und Ereignisse, einschließlich des Handelns und der Handlungsergebnisse anderer Menschen, seine freie Handlungsmöglichkeit. [...]."[22]
Von einer tatsächlichen Einbeziehung von Alltag und Lebenswelt in die Krankheitsgeschichte Psychiatrieerfahrener kann man erst seit den Anfängen gemeindepsychologischer Ansätze sprechen. Erst seit dem wird der Betroffene im Kontext mit seiner Umwelt gesehen.

[18] Vgl. Dörner, Klaus: Mosaiksteine für ein Menschen- und Gesellschaftsbild. Zur Orientierung psychiatrischen Handelns., In: Bock, Thomas & Weigand, Hildegard (Hrsg.); 1992: Hand-werks-buch-Psychiatrie.; Bonn (Psychiatrie-Verlag), 2. Auflage, Seite 40

[19] zitiert nach Krisor, Matthias: Sozialpsychiatrie. Menschenbild und Empowerment.; In: Lenz, Albert & Stark, Wolfgang (Hrsg.); 2002: Empowerment. Neue Perspektiven für psychosoziale Praxis und Organisation.; Tübingen (dgvt-Verlag), Seite 108

[21] Krisor, Matthias: Sozialpsychiatrie. Menschenbild und Empowerment.; In: Lenz, Albert & Stark, Wolfgang (Hrsg.); 2002: Empowerment. Neue Perspektiven für psychosoziale Praxis und Organisation.; Tübingen (dgvt-Verlag) Seite 112

[22] zitiert nach Krisor, Matthias: Sozialpsychiatrie. Menschenbild und Empowerment.; In: Lenz, Albert & Stark, Wolfgang (Hrsg.); 2002: Empowerment. Neue Perspektiven für psychosoziale Praxis und Organisation.; Tübingen (dgvt-Verlag) Seite 113

Über die Autorin/den Autor
Antje Henkel schloss 2005 Ihr Diplom-Studium Sozialarbeit/Sozialpädagogik an der Evangelischen Fachhochschule Berlin ab.

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