Heilpädagogik-Blog

Eine Hausarbeit von Katja Driesener mit dem Titel "Krisenprävention und Krisenintervention mit und für Menschen mit Autismus-Spektrum - Insbesondere an einem Praxisbeispiel mit einem Kind mit Autismus-Spektrum". Die Hausarbeit stammt vom 14.03.2012. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung.

Autismus - Krisenprävention und Krisenintervention

1 Einleitung

Im Ausbildungs- und Berufsverlauf habe ich immer wieder Kontakt mit Kindern und Erwachsenen mit Autismus gehabt. Die Arbeit mit dieser Zielgruppe empfand ich stets als besonders facettenreich und herausfordernd. Es bedarf kreativer Ideen, wie ein konstruktiver Kontakt und der Umgang mit den Menschen mit Autismus erschlossen werden kann. Für das Thema Krisenintervention und Konfliktmanagement in der Heilpädagogik finde ich es sehr interessant, wie in besonders schwierigen Situationen ein schneller und für alle Beteiligten effektiver Lösungsweg gefunden werden kann. Vor allem steht dabei der Betroffene im Fokus, der behutsam und schnell aus einer Krise geführt wird. Ebenso spielt auch eine Rolle, wie einer Krisenentstehung vorgebeugt werden kann.

In der folgenden Arbeit wird zuerst das Erscheinungsbild des Autismus-Spektrums dargestellt. Es schließt sich die Verknüpfung der Bedeutung von Krise in Verbindung mit Autismus an. Darauf folgt eine Erläuterung, inwiefern die Konzepte der Resilienz und Salutogenese für Menschen mit Autismus von Bedeutung sind. Im Hauptteil soll es vor allem um die Darstellung von präventiven und ressourcenerschließenden Maßnahmen vor der Entstehung einer Krise bei Menschen mit Autismus gehen. Im Speziellen wird ein Erfahrungsausschnitt aus meiner Arbeit als Einzelfallhelferin gezeigt, wie sich die präventive Tätigkeit mit einem Kind mit Autismus in einer belasteten Familie in einer schwierigen Phase gestaltet. Es werden auch Interventionsmaßnahmen und Möglichkeiten erschlossen, wie eine Krise eines Menschen mit Autismus ablaufen und auf welche Weise mit ihm und seinem Umfeld entlastend gearbeitet werden kann. Im Anschluss wird diskutiert, wie eine Einrichtung des Krisendienstes beschaffen sein könnte, um als Ansprechpartner für die hier vorgestellte Zielgruppe attraktiv zu sein. Eine Zusammenfassung rundet die Arbeit ab.

Im Verlauf der Arbeit spreche ich allgemein von Menschen mit Autismus. Selbstverständlich meine ich damit alle Formen des Autismus, von denen Menschen betroffen sein können. Auf die Betrachtung der einzelnen Erscheinungsformen kommt es mir in dieser Arbeit nicht an. Daher gehe ich lediglich im ersten Kapitel auf drei der bekanntesten Formen des Autismus zu Vorstellungszwecken ein, um zu zeigen, dass sich Autismus sehr verschieden zeigen kann.

2 Was ist Autismus-Spektrum?

Derzeit wird Autismus als Autismus-Spektrum-Störung bezeichnet. Damit umfasst es den gesamten Bereich der verschiedenen Varianten der Ausprägung des Autismus. Nach dem gängigen Klassifikationssystem ICD-10[1] handelt es sich um eine tiefgreifende Entwicklungsstörung, die alle Lebensbereiche eines Menschen und seines nahen sozialen Umfelds betrifft. Sie ist gekennzeichnet durch „qualitative Abweichungen in den wechselseitigen sozialen Interaktionen und Kommunikationsmustern und durch ein eingeschränktes, stereotypes, sich wiederholendes Repertoire von Interessen und Aktivitäten." Da Menschen mit Autismus Schwierigkeiten haben mit ihrer nicht-autistischen Umwelt zu interagieren und diese zu verstehen, können Veränderungen in der Umwelt sie stark erregen und höchst Angst auslösend sein. Unterschieden werden unter anderem drei Formen: der frühkindliche und atypische Autismus und das Asperger-Syndrom.

Der frühkindliche Autismus beginnt in den ersten drei Lebensjahren und prägt sich symptomatisch in den Bereichen der sozialen Kompetenz, Kommunikation und in stereotypen und beschränkten Verhaltensweisen aus. Weitere Auffälligkeiten können sich in Phobien, Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme und beim Schlafverhalten zeigen. Bestimmte zumeist exzessive Zwänge und Ordnungssysteme dienen zur Herstellung und Aufrechterhaltung von Sicherheit, Überschaubarkeit und Orientierung, welche für Außenstehende oft nicht nachvollziehbar erscheinen. Selbststimulierende Verhaltensweisen, wie zum Beispiel ein starkes Zudrücken der Augen mit den Fingern, können bis zur Selbstverletzung reichen. Für Außenstehende unerklärliche Wutausbrüche können ebenso zu starken Auto- und Fremdaggressionen führen.

Die Form des atypischen Autismus unterscheidet sich vom frühkindlichen Autismus entweder durch ein eher späteres Alter bei Beginn des Autismus' oder wenn nicht in allen Autismus relevanten Bereichen charakteristische Auffälligkeiten auftreten beziehungsweise in anderen Bereichen solche verstärkt auftreten. Sehr häufig tritt atypischer Autismus bei einer schweren Form einer geistigen Beeinträchtigung auf, die zumeist verbunden ist mit einer rezeptiven Störung der Sprachentwicklung.

Mit dem sogenannten Asperger-Autismus geht für gewöhnlich keine Verzögerung in der kognitiven und sprachlichen Entwicklung einher. Vielmehr ist eine veränderte Entwicklung in der Psychomotorik sowie in der sozialen Interaktion mit der Umwelt auffällig.

Das Verhalten eines Kindes mit Autismus-Spektrum ist generell gekennzeichnet durch wenig Mimik und Gestik. Ebenso verstehen sie nonverbale aber auch zumeist verbale Kommunikationsweisen ihres Gegenübers nicht und können dem keine Bedeutung beimessen. Sie wirken vollkommen in sich gekehrt und nach außen abgeschlossen. Das Spielen eines Kindes mit Autismus-Spektrum zeigt sich in ungewöhnlicher Weise, nicht dem Gegenstand funktions- und intentionsgerecht, zum Beispiel Drehen von Rädern an Spielzeugautos, Rieseln von Sand, Wedeln mit Fäden, unablässiges Öffnen und Schließen von Türen, An- und Ausschalten von Lichtschaltern etc. Somit ist das gemeinsame Spielen mit anderen Kindern stark erschwert bis gar nicht möglich.

Besonders macht das Autismus-Spektrum seine von Kind zu Kind und von Mensch zu Mensch sehr stark unterschiedliche individuelle Ausprägung. Das betrifft auch die intellektuelle Begabung autistischer Kinder. Sowohl starke Lernschwierigkeiten, durchschnittliche Intelligenz, als auch Hochbegabung sind mit Autismus möglich. Häufig fallen Kinder mit Autismus-Spektrum durch herausragende Teilleistungen in bestimmten Gebieten bspw. im Rechnen auf. So unterschiedlich die Ausprägungen eines Autismus-Spektrums sein können so vielfältig, variabel und individuell müssen pädagogische und therapeutische Ansätze auf das jeweilige Kind beziehungsweise den Erwachsenen angepasst und mit ihm und seinem nahen sozialen Bezugsumfeld gefunden werden. (vgl. Autismus Deutschland e.V.: Was ist Autismus? (o.J.)) Wodurch Autismus-Spektrum ursächlich entsteht, ist noch immer nicht ausreichend erforscht. Allerdings nehmen Diagnosen von Kindern mit Autismus in den vergangenen Jahren bis heute weiter zu. Diese Tatsache kann unter anderem mit den sich verändernden Diagnosekriterien und Klassifikationsentwicklungen zusammenhängen. (vgl. ebd.)

Die Wissenschaft geht davon aus, dass es sich um eine Entwicklungsstörung des Gehirns handelt, die durch Mutationen verschiedener Gene hervorgerufen wird. Veränderungen befinden sich vor allem im Kleinhirn (verantwortlich für die Steuerung der Motorik), Frontallappen (zuständig unter anderem für Planung, Wertebewusstsein, Motivation, Impulskontrolle, Problemlösung, Sozialisation, Sprachproduktion und Mimik), Temporallappen (zuständig unter anderem für Gehör, Sprache, Verarbeitung visueller Informationen, Gedächtnis, Lernen und der Mentalisierungstheorie „Theory of Mind") sowie im limbischen System (zuständig vor allem für die Bereiche der Verarbeitung von Emotionen, des Belohnungssystems und von sensorischen Stimuli wie Schmerz, Gerüche etc). (vgl. Lehmann (2009))

Die komplexen Störungen der Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitung, die mit den Veränderungen in den verschiedenen Bereichen des Gehirns einhergehen, können dazu führen, „dass autistische Menschen einen Großteil interner und externer Reize nicht verstehen, insbesondere nicht die sehr komplexen Informationen im affektiven und sozialen Bereich. Sie fühlen sich wie in einer fremden, chaotischen Welt oder wie ‚auf einem fremden Planeten'." (Autismus Deutschland e.V.: Ursachen (o.J.))

Äußern können sich die organischen Veränderungen vor allem in einer Unfähigkeit der Theory of Mind: sich in das Gegenüber empathisch einfühlen und soziale Situationen nachvollziehen und verstehen zu können. Ebenso ist häufig die sogenannte zentrale Kohärenz gestört, was sich in einer eingeschränkten Planungs- und Strukturierungsfähigkeit und in mangelnder Flexibilität äußert, sowie „eine gestörte ganzheitliche Erfassung von Objekten [...], die zum ‚Haften an Details' und zu einem eingeschränkten Verständnis des Gesamtzusammenhanges von Situationen führt." (ebd.)


[1] Dieser und die folgenden Absätze beziehen sich auf diese Quelle: vgl. WHO, DIMDI 1994 – 2012 ICD-10-GM Version 2012 Kapitel V: Psychische und Verhaltensstörungen (F00-F99) Entwicklungsstörungen (F80-F89), Stand: 23.09.2011: http://www.dimdi.de/static/de/klassi/diagnosen/icd10/htmlgm2012/block-f80-f89.htm (Funddatum: 02.02.2012)

3 Die Krise und Autismus-Spektrum

a) Die Krise und das Krisenpotential bei Menschen mit Autismus

Eine Krise wird als Höhepunkt einer hoch anspannenden Situation bezeichnet. Sie tritt in der Regel dann ein, wenn der bisherige Entwicklungsverlauf ausweglos erscheint und weder in dieser Form weiter gehen kann noch klar ist, in welche Richtung sich der zukünftige Weg wenden wird. Die Krise ist also ein Wendepunkt im Entwicklungsverlauf. (vgl. Wilczek (2012)) Es besteht ein großer emotionaler oder sozialer Mangel, der so nicht mehr tragbar ist. (Senckel/Pohlmann (2008), S. 15ff) Für gewöhnlich führt diese scheinbar ausweglose Situation zur vorrübergehenden Aufgabe der eigenen Autonomie und zum sich Anvertrauen der Hilfe anderer. Begleitende Bezugspersonen sind zumeist ähnlich betroffen von den sichtbar starken Belastungen unter denen die betroffene Person steht. Es verlangt ihnen viel Kraft und Durchhaltevermögen ab, Unterstützung und Begleitung zu geben. (vgl. Wilczek (2012))

Ohne neue Bewältigungsmöglichkeit kann die Krise zum Ende der bisherigen Lebenssituation führen. Sowohl physischer Tod, als auch ein absolutes Ende einer bestehenden psychischen, seelischen, sozialen und organischen Situation ist möglich. (Senckel/Pohlmann (2008), S. 15ff) Beispielsweise kann eine Ehekrise zum Ende, also zum Tod der Ehe führen, eine gesundheitliche Krise kann zum Absterben der Niere führen, eine Familienkrise zum endgültigen Kontaktabbruch mit der Mutter.

Eine Krise zwingt die betroffene Person zu neuen Wegen und zur Öffnung gegenüber einer neuen Orientierung bezüglich der weiteren Entscheidungen im zukünftigen Lebensverlauf. Im günstigsten Fall eröffnet die Krisenbewältigung neue Erfahrungen und Wege und bereichert das eigene Leben mit bisher unbekannten Verhaltensweisen und Denkmustern.

Menschen mit Autismus unterliegen bedingt durch das Bild des spezifischen Syndroms einer stark erhöhten Vulnerabilität gegenüber der Entstehung von Krisen. Sie sind in den Bereichen der Wahrnehmungsverarbeitung und in den Besonderheiten der sozialen Interaktion sehr viel häufiger einer hohen Spannung ausgesetzt. (vgl. Wilczek (2012))

Schon das Kindesalter mit Autismus ist bedroht von der möglichen Entstehung von Krisen. Die Angst vor Neuem aufgrund eines fehlenden Kohärenz-Gefühls ist bei vielen dieser Kinder stark ausgeprägt. Einer solchen Angst wird zumeist mit stereotypem Verhalten, zwanghaften und Sicherheit vermittelnden Routineabläufen im Alltag ausgewichen. Kommt es zur Konfrontation sind Wutanfälle, Zerstörung von Gegenständen, Selbst- und Fremdverletzung keine Seltenheit als Ausdruck der Angst und hilfloser Abwehrversuche. (vgl. Autismus Deutschland e.V.: Entwicklung und Prognosen (o.J.))

In der Pubertät kommen neue Herausforderungen auf den jungen Menschen mit Autismus zu: körperliche Veränderungen, stärker werdende sexuelle Bedürfnisse und sich wandelnde Anforderungen und Erwartungen aus der Umwelt. Junge Menschen mit Autismus können nur schwer diesen Veränderungen und neuen Reglementierungen gerecht werden. Sie bleiben auf Hilfsangebote aus ihrem Umfeld angewiesen und unterliegen erhöhten Schwierigkeiten auf dem Weg in eigene Autonomie. Der Wunsch nach Kontakten mit Gleichaltrigen ist vorhanden, doch gestaltet sich eine gegenseitige verständliche kommunikative Kontaktaufnahme sehr schwierig. Das bewusste Erkennen beziehungsweise diffuse Spüren der eigenen Andersartigkeit und der eigenen autistischen Isolation kann ein erhöhtes Krisenpotential mit sich bringen und Depressionen begünstigen. Ein Rückgriff auf stützende soziale Peer-Beziehungen ist für diese Menschen in der Regel nicht möglich. (vgl. ebd.)

Der Übergang in das Erwachsenenalter bringt eine mögliche Ablösung vom Elternhaus und eine dadurch hervorgerufene neue Wohn- und Lebenssituation mit sich. Der Übergang von der Schule in eine ungewisse Berufs- beziehungsweise Arbeitsplatzfindung ist ein weiterer Schritt. Die entweder fehlende oder unzureichend als Kommunikationsmittel genutzte Sprache kann neue unbekannte und angstauslösende Situationen hervorrufen, die als nicht bewältigbar empfunden werden können, weil alternative Handlungskompetenzen fehlen. (vgl. ebd.)

„Sie sind meist nicht hinreichend darauf vorbereitet, sich aus den festen, ihnen vertrauten Strukturen der Familie, der Schule und der gewohnten sozialen Bezüge zu lösen. Sie stehen damit vor allem in sozialer und emotionaler Hinsicht vor schwierigen und komplexen Situationen. Zugleich nimmt ihr Bedürfnis zu, in ihrer Eigenart, ihren Bedürfnissen und Zielen anerkannt zu werden. Dies kann zusammen mit dem zunehmenden Kommunikationsbedürfnis zu Aggression und Erregung führen, wenn Situationen und Verhaltensweisen aus der Sicht des autistischen Menschen falsch beurteilt werden." (ebd.)

In einer krisenhaften Zuspitzung kann es innerhalb kürzester Zeit unter großer innerer Anspannung zu einer erheblichen Steigerung eines abweichenden meist aggressiven, regressiven und isolierenden Verhaltens kommen. Die bis dahin kontinuierlich vorhandenen nützlichen Verhaltensmöglichkeiten von Fertigkeiten, Aktivität und eigenen Selbsthilfefähigkeiten werden abrupt unterbrochen. Scheinbar stehen sie in der Krise nicht als wirksame Bewältigungsstrategien zur Verfügung und sind unwirksam gegen den Abbau der inneren Spannungen. (vgl. Albertowsi (2009), S. 465ff) Die Regulation der eigenen Grundbedürfnisse fällt in ein Ungleichgewicht. Regressive Verhaltensweisen wie Einnässen, Einkoten oder häufiges nicht organisch bedingtes Erbrechen können auftreten. (vgl. Scho (2010), S. 20ff) Es kann zum völligen Rückzug aus dem Alltagsgeschehen kommen, der in einen Zustand von scheinbar völliger Teilnahmslosigkeit übergeht. (vgl. Albertowsi (2009), S. 465ff)

Konstruktive Konfliktbewältigungsstrategien stehen der Person von sich aus in der Regel nicht zur Verfügung. Es kommt zu einer gravierenden Beeinträchtigung des Wohlbefindens, der Gesundheit, der Belastbarkeit und Anpassung an Alltagsanforderungen des Betroffenen und seiner Bezugspersonen. In Abhängigkeit des Sprach-, Intelligenz- und Adaptationsniveaus variiert das Verhalten in seiner Ausprägung individuell verschieden. Je nachdem welche repetitiven Verhaltensweisen im Allgemeinen zum Verhaltensrepertoire gehören, werden sich diese in der Krise schließlich verstärkt zeigen bis hin zu lebensbedrohlichem selbstverletzendem Verhalten. Es wird vermutlich eingesetzt mit dem Versuch der Spannungsreduktion, zur Kontrolle über das eigene Erleben und Fühlen, zur Mitteilung von Bedürfnissen aber auch um Anforderungen zu vermeiden und Reaktionen von Bezugspersonen zu erzwingen. In jedem Fall lösen diese Verhaltensweisen einen hohen Handlungsdruck im sozialen Umfeld aus. Ebenso verhält es sich bei fremdaggressivem Verhalten und Aggressionen gegen die dingliche Umwelt. (vgl. ebd.)

Generell können verschiedene Situationen, Abläufe, Unbekanntes, Ungewohntes und Neues angstauslösend und somit handlungshemmend sein. Sobald eine gewohnte Routine unterbrochen wird, bietet die Situation Krisenpotential für Menschen mit Autismus. Zumeist sind unvorhersehbare Ereignisse mit einer Überflutung von Sinnesreizen verbunden. Sie weichen vom bekannten und vertrauten Schema ab und lösen somit Orientierungslosigkeit und Sicherheitsverlust aus. (vgl. Eckert/Stieler (2010), S. 6ff) Eine Fixierung auf Details und das Nicht-Erkennen von globalen Zusammenhängen wird deutlich.

3.1 Resilienz und Salutogenese bei Menschen mit Autismus

Im Allgemeinen bezeichnet Resilienz die Fähigkeit des Menschen, Krisen im Lebensverlauf mit Hilfe der eigenen persönlichen und sozialen Ressourcen zu bewältigen und diese als Entwicklungsanstoß nutzbar zu machen. Diese Ressourcen werden als protektive Faktoren beschrieben. Gemeint sind konkret stabile soziale Beziehungen zu Gleichaltrigen, soziale Fertigkeiten, die es einem ermöglichen, sich selbst Unterstützung durch Bezugspersonen zu verschaffen, eine Reflexions- und Ausdrucksfähigkeit von Emotionen und flexible Problemlösestrategien zur Bewältigung von Schwierigkeiten, Problemen und Krisen. Menschen mit Autismus haben selten die Möglichkeit von sich aus über solche alternativen und flexiblen Anpassungsstrategien zu verfügen. Somit können Überforderungserlebnisse in Belastungssituationen mit starren dysfunktionalen Strategien und einer niedrigen Grenze für Kompensationsmöglichkeiten schnell zu krisenhaften Zuspitzungen führen. (vgl. Bölte (2009), S. 291, 465)

Allerdings kann bei Menschen mit Autismus von resilientem Verhalten durchaus gesprochen werden, wenn es unter Beachtung einer Ressourcenorientierung darum geht, mit ihnen gemeinsam klare Strukturen herzustellen, so dass sie diese nutzen können, um sich zu orientieren und sicher zu fühlen. Auch die Nutzung von Unterstützung und Begleitung bei der Handhabung eigener und fremder zur Verfügung stehender Ressourcen, können eine erfolgreiche Anpassung oder einen erfolgreichen Umgang mit derartigen Situationen und Erholungsprozesse von belastenden Situationen begünstigen. (vgl. Fthenakis (2001))

„Je klarer die Regeln bestimmt sind und je mehr Vorwissen über Personen und Situationen besteht, desto einfacher und sicherer beherrschbar werden die jeweiligen sozialen Interaktionssituationen für autistische Personen“ und somit auch die zu bewältigenden Schwierigkeiten und Hindernisse. (vgl. Autismus Deutschland e.V.: Entwicklung und Prognosen (o.J.))

Das Verständnis von Resilienz ist dem Konzept der Salutogenese sehr nahe. Um es mit einem Zitat auf den Punkt zu bringen: „Die Pathogenese hat sich darauf spezialisiert, Krankheiten zu kurieren […] - während die Salutogenese sich um die Gesundheit sorgt: sie versteht unter Gesundheit das Vorhandensein von Lebensqualitäten.“ (Eichhorn (o.J.), S. 2)

Harmonie, Lebensfreude und Zufriedenheit sind die Kernelemente, die es aufrechtzuerhalten, wiederherzustellen und zu steigern gilt. (vgl. ebd., S. 3) Das Konzept der Salutogenese geht auf die Suche nach intra- und interpersonellen Ressourcen eines Menschen. Im Mittelpunkt für Gesundheit steht neben dem Kohärenzgefühlt ein starkes Hoffnungsmoment, das als auf Veränderung zielende Kraft verstanden werden kann. Sie vermindert eine allgemeine Abwehr und Angsthaltung vor Veränderungen und ermöglicht mehr Gelassenheit bei Belastungen.

Zur Erinnerung: Die zentrale Kohärenz ist bei Menschen mit Autismus in der Regel gestört, was sich in einer eingeschränkten Planungs- und Strukturierungsfähigkeit und einem gestörten Verständnis von Gesamtzusammenhängen einer Situation zeigt. Die Fixierung auf Details und Einzelheiten verhindern Orientierung und Aufbau von Struktur auch im emotionalen und sozialen Kontext. Ein Gefühl für Zusammenhalt und Vertrauen in sich selbst und in andere ist grundlegend nicht vorhanden. Dennoch gibt es auch in jedem Menschen mit Autismus mindestens geringe Faktoren, die Gesundheit bedingen und erhalten. Salutogenese hieße dann zunächst, kreative und ermutigende Begleitung zu ermöglichen, um eigene Wege und Möglichkeiten suchen und finden zu können. Gemeinsam findet man einen kommunikativen Zugang zueinander, so ungewöhnlich er auch sein mag. Als nicht-autistischer Begleiter sollte man sich einlassen können auf die Interessen des Menschen mit Autismus. In Bezug auf das Kohärenzgefühl können diese bedeutsamen Ressourcen mit viel Übung und Geduld und durch eine stabile vertrauensvolle Bindung zu Bezugspersonen erlernt und erhalten werden. (vgl. Schiffer (2011)) Im Besonderen bei Menschen mit Autismus ist eine enge, kontinuierliche und stabile Begleitung für das Etablieren sinnvoller und konstruktiver Handlungsmöglichkeiten für das Verhindern und Überstehen von Krisensituation grundlegend.

4 Präventive Maßnahmen vor einer Krisenentwicklung

Am stärksten präventiv wirkt sich natürlich wie bei allen Menschen eine sichere Bindung aus, die bereits im Kindesalter zwischen den Eltern und dem Kind mit Autismus aufgebaut wird. Durch ein stabiles Urvertrauen kann diese am ehesten eine möglichst stabile und konstruktive emotionale Reifung und Entwicklung im Kind mit Autismus ermöglichen. Wenn auch mit Unterstützung, befähigt eine vertrauensvolle emotionale und kontinuierliche Beziehung einen Menschen mit Autismus dazu, in schwierigen Situationen Lösungen eher zu finden beziehungsweise aus dem sozialen Umfeld anzunehmen und so vor einer krisenhaften Zuspitzung effektiver zu bewahren. (vgl. Senckel/Pohlmann (2008), S. 15ff) Ein Angstpegel vor dem Unbekannten kann reduziert werden und Veränderungen kann mit mehr Offenheit begegnet werden.

Besteht eine solche Bindung nicht von Geburt an oder wurde im Laufe des Lebens massiv gestört, liegt es beim professionellen Begleiter als primäre Bezugsperson, bei der Nachreifung einer solchen sicheren Bindung zu helfen. Mit sensibler Achtsamkeit und Akzeptanz der individuellen emotionalen Befindlichkeit der Person mit Autismus und ohne moralische Wertung lässt sich die Begleitperson auf einen respektvollen und ernstnehmenden Umgang ein. Er orientiert sich rücksichtsvoll an den Bedürfnissen und Interessen seines Gegenübers. Mit fachlich fundierten Kenntnissen über Besonderheiten des Verhaltens bei Autismus, der professionellen Beobachtungsfähigkeit und dem Reflexionsvermögen können Hinweise und Signale im Verhalten und im gegenseitigen Umgang gedeutet sowie ein Zugang zur Person und ein Kommunikationsweg erschlossen werden. (vgl. ebd.)

Ein klares und strukturiertes Erziehungsverhalten gibt Sicherheit, wenn es sich durch Konsequenz, Deutlichkeit und Kontinuität auszeichnet. Bezogen auf die Ansprache sind kurze und klare Handlungsanweisungen sinnvoll. Eine möglichst ausdrucksvolle Sprache und mit betonten Schlüsselwörtern und direktem Augenkontakt zeigen sich als wirkungsvoll. Das erleichtert der Person mit Autismus die Aufnahme des Gesagten. Kleine und einfache Handlungsschritte mit konsequentem und überschaubarem Verhalten tragen in dazu bei, Sicherheit, Verständnis und Vorhersehbarkeit zu vermitteln. (vgl. Eckert/ Stieler (2010), S. 14ff)

Nicht nur mit und für den Betroffenen selbst müssen entsprechende Interventions- und Handlungsstrategien für alle Lebensbereiche gesucht und erschlossen werden. Auch die engen Bezugspersonen und Familienmitglieder werden in den Prozess miteinbezogen. Das Erkennen und Herstellen von Struktur und Übersichtlichkeit sowie die Anwendung von alltagspraktischen Selbsthilfe-Strategien kann auch für Angehörige einen wertvollen Lernprozess darstellen. Die Unterstützung und Anleitung von Professionellen muss also nicht auf besonders schwierige Situationen beschränkt bleiben. Beispielsweise werden absehbare vorübergehende und langfristige Veränderungen wie Reisen, Umzug oder Schulwechsel im Leben eines Menschen mit Autismus in Zusammenarbeit mit den engen Bezugspersonen und mit Unterstützung durch professionelle Helfer vorbereitet und geplant. (vgl. Albertowsi (2009), S. 465ff)

In einer Arbeit von Andreas Eckert und Jessica Stieler[1], die ausgewählte Autobiografien von Menschen mit Autismus nach selbststabilisierenden und präventiven Kategorien analysiert haben, sind Merkmale zusammengetragen worden, zur Vermeidung und Verhütung von krisenhaften Zuspitzungen. Die wichtigsten sollen hier im Folgenden dargestellt werden. Die Ratschläge von Menschen mit Autismus für ebenjene werden vermutlich weitaus effektiver sein, als ausschließlich jene Ratschläge von nichtautistischen Profis aus den Fachbereichen der Pädagogik, Psychologie oder Medizin. Wichtig zu erwähnen ist auch, dass es sowohl in der Prävention als auch in der Intervention und generell im allgemeinen Kontakt mit Menschen mit Autismus darum geht, sich auf die persönlichen Besonderheiten und vorhandenen salutogenetischen Ressourcen einzulassen. Es kann niemals darum gehen, den Autismus zu bekämpfen, zu heilen oder den Menschen aus dem Autismus herauszuholen. In der Literatur beschreiben Menschen mit Autismus diese allgemein als Behinderung abgetane Besonderheit als Lebenskultur und eigenes Weltverständnis (siehe auch die Internetpräsentation www.autismus-kultur.de). Für Menschen ohne Autismus gilt es, diese Welt mit sensibler und genauer Beobachtung zu erschließen und verständlich zu machen, aber nicht, die autismusfreie Weltsicht einem Autisten aufzuzwingen. Es geht also darum herauszufinden, was im Alltag von der betroffenen Person als hilfreich und stärkend empfunden wird, Stress und Angst bewältigen zu können.

Routinen und Vorhersehbarkeit können dem Bedürfnis nach Gleichförmigkeit und Regelmäßigkeit im Alltag gerecht werden. Überschaubare Strukturen vermitteln Sicherheit und helfen eine verunsichernde und beängstigende Konfrontation mit Veränderungen im Alltag zu bewältigen. Rückzugsorte, die Ruhe und Sicherheit vermitteln, sind in einer als reizüberflutend erlebten Welt ein hilfreicher und notwendiger Ausgleich im Alltagsgeschehen. Ein stabil unterstützendes und haltgebendes familiäres Netzwerk stellt, wie schon weiter oben dargestellt, eine grundlegende Ressource für den Menschen mit Autismus dar, sich der Konfrontation mit der befremdlich wirkenden Welt aussetzen zu können. Es vermittelt Rückhalt, Sicherheit, Akzeptanz und Wertschätzung in jeder Lebenslage. Vor allem im häuslichen Umfeld ist eine Atmosphäre der Geborgenheit, der Ruhe und der Sicherheit wichtig. Mit dem Vertrauen in die Bildungs- und Entwicklungsfähigkeit der Person mit Autismus findet eine Abkehr von der defizit- und problemzentrierten Sichtweise statt. Die Beachtung von Stärken und Interessen in Begleitung und Förderung betont die Ressourcenorientierung und stärkt das Selbstbewusstsein. Die Betrachtung biografischer Besonderheiten und Entwicklungen helfen bei der Suche nach Ursachen für auffälliges Verhalten. Die Entwicklung persönlicher Handlungsstrategien zum Spannungsabbau in schwierigen beziehungsweise überfordernden Situationen wird als unterstützende Eigenkompetenz beschrieben. Motorische Verhaltensmuster und Gedankenspiele mit der Absicht, sich selbst zu beruhigen und handlungsfähiger zu machen, sind Beispiele für solche Strategien. Menschen mit Autismus profitieren von ihren Spezialinteressen. Sie bereiten ihnen Genuss, Freude und Wohlbefinden. Auch wenn sie von Menschen ohne Autismus eher als sozial isolierend betrachtet werden, ist es eine mögliche Kontaktquelle. Sich dem ungewöhnlichen Gebiet zu nähern, kann weitere und neue Handlungsmöglichkeiten erschließen.

Lernangebote sollten sowohl möglichst in reizarmer Umgebung als auch so konkret und klar strukturiert wie nur möglich aufgebaut sein. In Form von visuell überschaubarer und ansprechender Art vermitteln sie als wichtige Unterstützungsform im alltäglichen Leben kognitive, handlungspraktische und soziale Lernsituationen. Für jede Person, die den Eindruck hat, sich in irgendeiner Art von anderen Menschen massiv zu unterscheiden, kann es von großem entlastenden Wert sein, Gleichgesinnte zu treffen. Gemeinsam spüren und erleben sie, dass sie nicht allein mit ihrer Andersartigkeit sind und können sich sozial zugehörig fühlen. Angebote zur Kontaktaufnahme mit anderen Menschen mit Autismus ist eine Chance, sich über die eigenen Denkweisen, persönlichen Besonderheiten und ähnliche Erfahrungen auszutauschen. Hier bietet vor allem das Internet eine große Plattform mit Foren für und von Menschen mit Autismus. Zu finden sind solche Foren beispielsweise unter http://aspies.de/forum/index.php und http://autismus-kultur.de . Sofern kognitiv möglich kann unter anderem in der Auseinandersetzung mit Gleichgesinnten eine bewusste Reflexion über die eigenen und Autismus spezifischen Besonderheiten als ein weiterer entlastender und für die eigene Persönlichkeitsentwicklung gewinnbringender Faktor gesehen werden. Es steigert die Akzeptanz der eigenen Besonderheiten und kann zu einer bewussteren Berücksichtigung spezifischer Bedürfnisse beitragen.

Die Individualität und Einzigartigkeit des Menschen mit Autismus steht an erster Stelle. Somit muss bei jeder Intervention, Förderung, Diagnostik und Begleitung stets nach individuell funktionierenden Möglichkeiten und Angeboten gesucht werden, die einen Zugang zum gegenüber erschließen. Es gilt, viel Zeit zu investieren, den Menschen in seinem Autismus-Spektrum gründlich mit ehrlichem Interesse kennen zu lernen, seine Eigenart zu respektieren und eine kommunikative Basis zu schaffen.

[1] Dieser und die weiteren Absätze in diesem Kapitelabschnitt beziehen sich, sofern nicht eine weitere Quelle angegeben ist, auf diese Arbeit: vgl. Eckert/Stieler (2010)

4.1 Präventive Arbeit in einer Familie mit einem Kind mit Autismus, Teil 1

Als Einzelfallhelferin arbeite ich in einer Familie mit einem Mädchen[1]mit einer stark ausgeprägten Form des Autismus, die auf eine chromosomale Veränderung des Chromosoms 15 zurückzuführen ist. (vgl. Dup15q Alliance (2004)) Zum Zeitpunkt der Entstehung dieser Facharbeit ist das Mädchen fünf Jahre alt und besucht eine Kita mit Integrationsschwerpunkt. Hier wird sie intensiv betreut und gefördert, vorrangig durch eine fachkundige und engagierte Integrationserzieherin.

Die Eltern des Kindes sind zwar miteinander verheiratet aber die emotionale Beziehung zwischen Mutter und Vater gestaltet sich schwierig. Sie gehen sich weitestgehend aus dem Weg und wenn sie miteinander kommunizieren, herrschen starke Spannungen zwischen ihnen. Der Vater leitet ein eigenes Einzelhandelsgeschäft. Seine berufsbezogene Selbstständigkeit verlangt ihm einen großen Einsatz von Zeit ab, zumeist an allen Wochentagen, um für die Familie wenigstens ein niedriges Maß an Lebensstandard zu finanzieren. In der gemeinsamen Wohnung hält er sich in der Regel nur zum Schlafen auf. An zwei Nachmittagen und einem ganzen Wochenendtag widmet er sich regelmäßig vollkommen seiner Tochter.

Die Mutter ist psychisch phasenweise sehr labil, was sie in schwierigen Momenten zum sozialen und emotionalen Rückzug zwingt und sich in depressiven Verhaltensweisen zeigt. Von sich selbst sagt die Mutter, sie habe eine diagnostizierte Schizophrenie. Zurzeit ist sie auf die Einnahme von Psychopharmaka angewiesen, die es ihr ermöglichen so gut wie möglich einem geregelten Tagesablauf nachzugehen und als Mutter für ihr Kind da zu sein. Begleitend wird sie psychotherapeutisch betreut. Zur Mitarbeit in dem Geschäft des Ehemannes oder einer anderen Arbeitstätigkeit fühlt sie sich nicht in der Lage. Das Beantragen von Sozialleistungen gestaltet sich aufgrund der starken Meinungsverschiedenheit der Eltern als schwierig, was die Mutter stark von der Finanzverwaltung des Vaters abhängig macht. Sie hat großes handwerkliches Talent beim Nähen und Schneidern. Dieses Hobby betreibt sie intensiv in den Vormittagsstunden, wenn es ihre psychische Verfassung zulässt. Die meiste Kleidung näht sie für sich und ihr Kind selbst. Dieses Hobby beruflich umzusetzen würde sie unter selbst so empfundene zu große Verantwortung und Belastung setzen.

Die folgende Schilderung beruht auf der Wiedergabe von authentischen Erinnerungen und Erlebnissen der Autorin.

[1] Bei der Betitelung des Kindes belasse ich es bei dem „Mädchen". Da es nur um dieses eine geht, halte ich es für ausreichend und sinnvoll für die komplette Anonymisierung der ganzen Familie.

4.1 Präventive Arbeit in einer Familie mit einem Kind mit Autismus, Teil 2

Als Einzelfallhelferin bin ich in der Familie vorrangig für das Mädchen eingesetzt. Zu meinen Aufgaben gehört es, sie in der Regel zwei Mal in der Woche von der Kita abzuholen und anschließend den Nachmittag mit ihr zu gestalten und damit sowohl Mutter als auch Vater zu entlasten. Die Förderziele sind vorrangig auf Kommunikationsanbahnung und Sicherheit in Motorik und Sozialkontakt ausgerichtet und zur Herstellung von überschaubaren Strukturen und erleichternden Routinen im Lebensalltag. Das Mädchen lautiert regelmäßig wenn sie in guter Stimmung ist, hin und wieder sind dabei Ansätze von ihr bekannten Wörtern zu hören. Sie nutzt keine Sprache zur Bedürfnisbefriedigung oder Kontaktaufnahme. Ihr Kontaktverhalten ist stark bedürfnisorientiert, wird wenig zur Kommunikation eingesetzt und zeigt sich zumeist in stereotypen Verhaltensweisen. Körperkontakt an sich sucht sie oft und mittlerweile verstärkt zur Mutter, scheint aber regelmäßig nicht zu wissen, wie sie das Bedürfnis nach Nähe einfordern kann. Die Mutter muss zeitweise auf die feinen Annäherungsversuche der Tochter aufmerksam gemacht werden, die sie ohne Anregung oft nicht als solche erkennt. Dann aber entwickelt sich aus dem Kontaktspiel zwischen beiden eine große Vertrautheit und Geborgenheit, nach dem das Kind scheinbar regelmäßig stark und in größerem Umfang bedarf. Beiden tut diese Nähe sichtlich gut.

Zur Entspannung und Beruhigung nach dem Tag in der Kita und wenn sie zu Hause angekommen ist, nutzt das Mädchen vorrangig stereotype Verhaltensweisen wie das Klimpern auf einem Kinderpiano und das Musikhören einer bestimmten Kindermusik-CD. Kann sie über diese oder ähnliche Maßnahmen nicht verfügen, zeigt sich das in angespannter Unruhe, lautierendem Protest und steigert sich bis hin zum Weinen und lauten Schreien. Gelegentlich beginnt sie sich selbst gegen den Kopf zu schlagen, Menschen in ihrer Umgebung zu kneifen und ihnen gegen das Ohr zu schlagen. Auch das Geschaukelt Werden in der Hängematte scheint für sie eine willkommene Ruhezone zu sein. Sie ist an einfachen Fingerspielen, die für Kleinstkinder etabliert sind, interessiert und lächelt dabei hin und wieder. Gesang und Tanzlieder erreichen ebenfalls ihre ungeteilte Aufmerksamkeit, sowie Seifenblasen pusten und eine verbale Begleitung dazu als auch Rieselspiele mit kleinen Steinchen, Bohnen, körnigem Sand und Reis. Sie ist viel in Bewegung, läuft gern und viel und fängt auf Spielplätzen an, die Klettergerüste noch zögerlich zu erobern. Auf bestimmte Ansprachen mit unterstützenden Gesten reagiert sie sofern es in ihrem Gesichtsfeld passiert. Sie kann dann einer einfachen und bekannten Aufforderung nachkommen. Die täglichen Waldausflüge mit der Kita erfordern zwangsläufig das Tragen von Windeln. Die Toilette in der Kita benutzt sie nach Aufforderung, nicht aber aus Bedürfnis. Zu Hause scheint sie eine Abneigung oder sogar Angst vor dem Bad zu haben. Sie hält sich nicht gern darin auf, die Toilette benutzt sie gar nicht und auch das Windeln wechseln verläuft dort nur unter lautem Schreien, heftigem Weinen und Zittern. Die Nahrungsaufnahme gelingt ihr im Faustgriff mit einem Löffel. Snacks führt sie mittlerweile aber teilweise noch widerwillig mit ihren Händen zum Mund und legt sie nach dem Abbeißen sofort wieder ab oder lässt sie fallen...

4.1 Präventive Arbeit in einer Familie mit einem Kind mit Autismus, Teil 3

Vor kurzem kam es aufgrund einer Hochphase von psychischer Labilität der Mutter zu einer, sowohl für sie und den Vater als auch für das Kind, krisenhaften Situation. Erschwerend erlitt das Mädchen einen grippalen Infekt. Die Mutter war zu dieser Zeit nicht in der Lage, sich adäquat um das Kind zu kümmern und es ausreichend zu versorgen. Der Vater konnte nicht mehrere Tage am Stück in seinem Geschäft fehlen, weil kaum Vertretungskräfte vorhanden waren. Eine Ladenschließung für längere Zeit hätte zu starken finanziellen Einbußen geführt, die er für die Familie nicht hätte kompensieren können. Es mangelte offensichtlich bei allen drei Personen an verfügbaren Ressourcen.

An drei aufeinanderfolgenden Tagen besuchte ich das Mädchen und seine Mutter zu Hause über das gewöhnliche Stundenpensum hinaus und versorgte das Mädchen soweit es mir möglich war. Dadurch erfuhr die Mutter größtmögliche Entlastung und konnte sich um sich kümmern. Der Vater hatte die Möglichkeit wenigstens den Großteil des Tages im Geschäft zu arbeiten.

Das Mädchen war schon zu Beginn der Woche in einer traurigen Gemütsverfassung. Scheinbar spürte es sehr deutlich, dass bei der Mutter eine Veränderung vorging und diese kaum Nähe zu ihrem Kind zuließ. Sie weinte viel, wollte wenig laufen und umso häufiger auf den Arm genommen werden. Die meiste Zeit des Tages hatte es einen sehr traurigen Gesichtsausdruck und entsprechende Körperhaltung. In der Mitte der Woche holte ich sie von der Kita schon am frühen Nachmittag ab, weil sie sehr kraftlos, fiebrig und ausgesprochen ruhig war. Wir gingen gemeinsam zu ihr nach Hause. Dort angekommen zog ich ihr ohne ihre sonst vorhandene Anteilnahme Jacke, Regenhose und Schuhe aus und trug sie in ihr Zimmer, wo ich sie gleich in ihr Bett legte und zudeckte. Sie lag dort und sah vor sich hin. Ich legte mich zu ihr, streichelte ihr das Haar und sprach leise zu ihr. Sofort flatterten ihre Augen und fielen kurz daraufhin zu. Als sie eingeschlafen war, ging ich zur Mutter, um zu sehen, wie es ihr ging. Sie wirkte depressiv und in sich versunken. Sie weinte viel, machte sich übersteigerte Selbstvorwürfe und blieb in Selbstmitleid und Traurigkeit versunken, wobei sie immer wieder sagte, es ginge ihr gut und die offizielle Trennung von ihrem Mann wäre der richtige Schritt für sie gewesen. Dennoch wohnt und schläft er noch mit in der Wohnung und es sind deutliche Spannungen zwischen beiden zu spüren, wenn sie in einem Raum zusammen sind. Ich ging wieder ins Zimmer, wo das Mädchen schlief, hielt eine frische Windel, zu Trinken und einen Snack bereit, für den Fall, sie habe Hunger oder Durst beim Aufwachen. Zwei Stunden später wachte sie auf und krabbelte aus dem Bett. Sie weinte kurz und schien nach ihrer Mutter zu suchen. Sie verließ das Zimmer und ging zu ihr. Die Mutter streichelte ihrer Tochter kurz über den Kopf, sprach abwesend zu ihr und entfernte sich daraufhin aus dem Raum. Das Mädchen schaute hinter der Mutter her mit traurigem Blick. Ich nahm das Mädchen auf den Schoß, drückte es sanft an mich und gab ihr etwas zu Trinken. All das ließ sie zu und ich spürte, wie sich ihr Körper in meinem Arm entspannte. Sie braucht Nähe und Verlässlichkeit, gerade wenn sie selbst gesundheitlich angeschlagen ist.

Auf dem Weg zurück ins Zimmer fing sie dennoch an zu weinen, einerseits sicherlich, weil es ihr nicht gut ging, andererseits vermutlich, weil sich nicht ihre Mutter, nach der sie sich so sehr sehnte, um sie kümmern konnte. Ich kann nur ein minimaler Ersatz sein, Kontinuität und Verlässlichkeit vermitteln aber die mütterliche Geborgenheit kann ich dem Mädchen nicht ersetzen. Ich legte sie wieder ins Bett. Offensichtlich war sie noch viel zu geschwächt. Mit der Bettdecke kuschelte ich sie richtig bis zum Hals ein und streichelte sie wieder in den Schlaf. So verliefen die nächsten Tage in der Regel. Am dritten Tag, den ich bei dem Mädchen verbrachte, ging es ihr schon bedeutend besser. Ich betrat die WohWohnung als der Vater am Morgen noch dort war. Das Mädchen saß in der Küche auf seinem Schoß und aß in Form von Gefüttert werden Frühstück und genoss die gewohnten Spielchen mit dem Vater. Hin und wieder tauchte ein Lächeln in ihrem Gesicht auf, eindeutig galt ihre ganze Aufmerksamkeit dem Vater. Zwischendurch legte sie sich immer wieder gegen seine Brust und genoss die Nähe zu ihm. Als die Mutter des Kindes in die Küche kam, veränderte sich schlagartig seine Körperspannung. Er wandte sich stets an mich und besprach mit mir das weitere organisatorische Vorgehen, während er seine Frau vollkommen ignorierte und sie in die Entscheidungen das Kind betreffend überhaupt nicht miteinbezog. Sie stand in einer Ecke des Raumes sah betreten und hilflos auf die Füße und wusste selbst scheinbar nicht mit der Situation umzugehen. Ebenso hilflos deute ich auch das Verhalten des Vaters. Er scheint überfordert zu sein mit der psychischen Belastung seiner Frau und kann mit ihrer depressiven Verstimmung nicht adäquat umgehen. Er verließ recht schnell die Wohnung, vielleicht aus Eile, vielleicht auch aus Flucht vor der Spannung.

Ich widmete mich dem mittlerweile wieder erschöpften und müden Mädchen, während ich mich zugleich nach dem Befinden der Mutter erkundigte. Sie konnte sich noch immer nicht ihrer Tochter liebevoll zuwenden, schien sie kaum richtig wahrzunehmen. Das Mädchen wirkte verschwitzt, verklebt und trug noch immer die Unterbekleidung vom Vortag. Also ging ich mit ihr ins Bad, ließ Wasser in die Badewanne, zog sie aus und badete sie. Kurzzeitig schien sie das zu genießen. Sie plantschte und rutschte bäuchlings in der Wanne im Wasser hin und her. Bald aber hatte sie genug und fing laut an zu weinen. Ich nahm sie raus, trocknete sie ab und zog ihr frische Kleidung an, mit der sie wieder ins Bett gehen konnte. Ich legte sie wieder bis zum Hals eingekuschelt ins Bett, öffnete zum Lüften des Zimmers das Fenster und streichelte sie wieder in den Schlaf, woraufhin sie auch schnell einschlief.

Später am Tage legte sich auch die Mutter in ihr Bett im gleichen Zimmer. Das Mädchen spielte gerade vor sich hin, wir pusteten mit großem Interesse Seifenblasen. Sie war eindeutig schon mehr bei Kräften. Als sie ihre Mutter im Bett liegen sah, krabbelte sie dazu, klopfte auf die Decke, rutschte mit der Hand unter die Decke und schaute auch immer mal darunter. Die Mutter drehte sich mit dem Rücken zu ihr um und beachtete ihre Tochter nicht weiter. Ich hatte den starken Eindruck, das Mädchen suche Kontakt zur Mutter. Also beschloss ich, sie neben die Mutter unter die Decke zu legen. Prompt blieb sie so liegen. Ich wollte sie wieder in den Schlaf streicheln aber das wehrte sie ab, indem sie meine Hand von sich wegschob. Wenige Minuten später fielen ihr die Augen zu und sie schlief neben der Mutter ein.

4.1 Präventive Arbeit in einer Familie mit einem Kind mit Autismus, Teil 4

Als präventiven Einsatz sehe ich an dieser Stelle meine Anwesenheit einerseits zur Entlastung der Mutter und andererseits mein kontinuierliches Angebot von Nähe dem Mädchen gegenüber. Das Mädchen sehnte sich so sehr nach ihrer Mutter, aber konnte sie partout nicht erreichen. Als erste Kontaktperson bot ich mich für die Stunden, die ich mit und bei dem Mädchen verbrachte an, um ein wenig das Gefühl von Geborgenheit, Sicherheit und Permanenz zu vermitteln, wozu die Mutter zu dieser Zeit kaum und der Vater nur kurzzeitig in diesen Tagen in der Lage waren. Weiterhin sorgte ich für die Aufrechterhaltung von gewohnten Routinen im Tagesablauf für das Mädchen sofern möglich und sorgte mich um ihre basalen und grundlegenden Bedürfnisse. Hätte sie in diesen Tagen keine solche stabile Beziehungsperson gehabt, hätte es durchaus sowohl für die Mutter als auch für das Kind zu einer emotionalen und psychischen Krisenzuspitzung kommen können. Das vernachlässigte Kind hätte vermutlich mit Weinen und vermeintlich subtilem Körperkontakt versucht, bei der Mutter ihre Bedürfnisse nach Nähe und Geborgenheit zu befriedigen oder es hätte vollkommen in stereotypes und zwanghaftes Verhalten versinken können. Die Mutter wäre vollkommen überfordert gewesen, die Bedürfnisse des Kindes zu beachten, zu erkennen und zu befriedigen. Es hätte die Tochter noch mehr von sich gewiesen, vielleicht hätte ein Wutausbruch oder die Flucht aus der Wohnung die Folge sein können. Wie auch immer. Sinnvoll und notwendig war für das Kind dieser enge Kontakt zu einer vertrauten Bezugsperson, in dem Fall zu mir. Für die Mutter und für den Vater waren die Entlastung durch die Betreuung ihrer Tochter von großer Bedeutung und insgesamt eine präventive Maßnahme. Inwiefern es vielleicht auch nur eine Symptomverschiebung war, vermag ich an dieser Stelle nicht einzuschätzen. Allein die Arbeit als einzelfallunterstützende Begleiterin innerhalb einer belasteten Familie kann schon, wenn an der individuellen Persönlichkeit des Betroffenen ausgerichtet, als präventive Maßnahme betrachtet werden.

5 Interventionsmaßnahmen in einer Krisensituation

Um Interventionsmaßnahmen während einer Krisenzuspitzung nicht unbeachtet zu lassen, wird an dieser Stelle in Kürze eine Auswahl an Möglichkeiten dargestellt.

Entlastung spielt auch in der Krisenintervention mit Menschen mit Autismus eine herausragende Rolle. Nur ist es häufig sehr schwierig diese adäquat schnell zu erreichen, wenn nicht klar ist, wo die Ursache zu suchen ist und die betroffene Person selbst sich bei der Suche nicht beteiligen kann. Oberstes Ziel ist es, die Alltagskontinuität so schnell wie möglich wieder herzustellen und eine intensive und schnell wirksame Hilfe anzubieten. In erster Linie sollten körperliche Ursachen ausgeschlossen beziehungsweise bei Bedarf behandelt werden. Anschließend muss nach den relevanten Umweltfaktoren gesucht werden, die eine starke Belastung für den in der Krise befindlichen Menschen mit Autismus darstellen. Diese werden sodann wenn möglich in zumutbarem Umfang für alle Betroffenen und Beteiligten verändert beziehungsweise werden Hilfen gegeben, die eine Anpassung an die unveränderlichen Gegebenheiten ermöglichen. (vgl. Albertowsi (2009), S. 465ff)

Prinzipiell lässt sich der Aufbau der Krisenintervention für und mit Menschen mit Autismus folgendermaßen gliedern:

  • Kontaktaufnahme,
  • Analyse der Krisensituation,
  • Planung und Durchführung der Intervention und
  • abschließende Verlaufsbeobachtung.

Die Kontaktaufnahme dient mittels Gesprächen zur ersten Entlastung aller Beteiligten, zur Situationserfassung und Einschätzung. Mit einer folgenden Analyse werden alle möglichen Ursachen, Auslöser und die Krisensituation an sich eingeschätzt und es werden alle relevanten Daten zur Person mit Autismus erhoben, um ein Verständnis für die Funktion des Verhaltens zu erarbeiten. Interventionsstrategien richten sich schließlich auf die Ursachen und Funktionen des gezeigten Verhaltens der betroffenen Person aus. Als erste mögliche Maßnahme könnte eine räumliche Umgestaltung entlastend wirken. Oder die Anpassung bestimmter Möbel an alltägliche Gegebenheiten, in denen Krisen zu erwarten sind. (vgl. ebd.)

In weiterer Perspektive können verhaltenstherapeutische Maßnahmen sinnvoll sein, zum Aufbau eines alternativen, tolerablen Verhaltens des Betroffenen. Visuelle Strukturierungsmaßnahmen helfen Raum, Zeit und Aufgaben überschaubar zu gestalten, Orientierung zu schaffen, Sicherheit zu vermitteln und somit die Reduktion von Anspannung zu ermöglichen. Weitere längerfristig andauernde Maßnahmen sind der Aufbau von Hilfen zur Kommunikation und Training von sozialen Fertigkeiten. Im Notfall kann auch die psychopharmakologische Medikation unter ärztlicher Aufsicht sinnvoll sein. (vgl. ebd.)

Weiterhin gibt es eine radikale Maßnahme, die sofort Wirkung erzielt aber einer richterlichen Anordnung bedarf: das Fixieren der Person in Fällen von lebensbedrohlichen Selbst- und Fremdverletzungen. Als letztes Mittel der Wahl und nur bei bestimmten Indikationen, wie der Verdacht oder das Vorliegen einer psychischen Erkrankung, bei schweren Aggressionsformen und nur in Ausnahmefällen zur kurzzeitigen Entlastung von Bezugspersonen, kann eine stationäre Unterbringung in der Psychiatrie angeraten werden. Die Dauer des Aufenthalts sollte in jedem Fall möglichst kurz sein und im Vorfeld genau überdacht werden. Allerdings können Krisen den Anlass geben, eine langfristige stationäre Perspektive zu planen, vor allem dann, wenn Bezugspersonen wegen nachhaltigen Erschöpfungszuständen, der Schwere der Behinderung und den steigenden Anforderungen der Betreuung von Menschen mit Autismus nicht mehr gerecht werden können. In solchen Fällen stellt die Psychiatrie nicht die erste geeignete Form der Unterbringungsmöglichkeit dar. (vgl. ebd.)

In jedem Fall ist es ratsam sich an entsprechend ausgebildete Fachkräfte zu wenden, die die betroffene Person mit Autismus und ihr involviertes soziales Umfeld professionell begleiten und anleiten. Eine solche intensive psychosoziale Unterstützung ist sowohl für den in der Krise befindlichen Menschen mit Autismus als auch für deren Bezugspersonen sinnvoll. Sie werden über zeitnahe mögliche Unterstützungsangebote für den Alltag und für den Betroffenen selbst informiert und sie erhalten bei Bedarf eine das häusliche Umfeld aufsuchende Unterstützung in Form niederschwelliger Hilfen. (vgl. ebd.)

In stationären Wohneinrichtungen und gerade beim Einzug eines neuen Bewohners mit Autismus kann es regelmäßig zu Krisenzuspitzungen kommen. Der neue Mitbewohner kommt aus festen, klaren und verlässlichen Strukturen, mit Regeln, an die er sich halten konnte und vertrauten Menschen in seinem Umfeld. Plötzlich aber befindet er sich ab sofort in einer fremden Umgebung, in der alles vollkommen anders ist als er es bisher kannte und gewohnt war, in der unbekannte Menschen, Geräusche, Gerüche und optische Einflüsse sind. Nichts funktioniert mehr wie bisher. Alles ist neu und angsteinflößend. (vgl. Scho (2010), S. 12) Die Fachkräfte in einem solchen und in ähnlichen Bereichen müssen sensibel auf die Individualität der einzelnen Bewohner mit Autismus eingehen und Strukturen schaffen, die sich an dem ganz persönlichen Persönlichkeitsbild ausrichten. (vgl. ebd. S. 15)

Auch an dieser Stelle soll ein Bezug genommen werden zu den innerpsychischen Ressourcen eines Menschen mit Autismus, die mobilisiert werden können, wenn die Begleitung und Unterstützung individuell stimmig ist:

„Viel Verständnis für das individuelle Verhalten von Menschen mit einer autistischen Behinderung, viel Geduld und Anforderungen, denen mein Gegenüber gewachsen ist, können Veränderungen bewirken. Gelingt es uns in Angstsituationen Sicherheit zu vermitteln, erreichen wir den autistisch behinderten Menschen, und es entwickelt sich bei ihm eine Bereitschaft, etwas Neues anzunehmen." (Scho (2010), S. 12)

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