Entwicklungsförderung

Eine Hausarbeit von Alexandra May mit dem Titel "Autismus - Pädagogik und Therapiemöglichkeiten mit autistischen Kindern und Jugendlichen". Die Hausarbeit stammt vom 01.03.2001. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung.

Autismus - Pädagogik und Therapie

0 Autismus - Einführung und Therapiemöglichkeiten

Seit einigen Jahren steht die Behinderung „Autismus" nicht mehr ausschließlich im alleinigen Interesse der Ärzte und Therapeuten. Durch den Film "Rain Man" (1989), in dem auf beeindruckende Weise das Leben und die damit verbundenen Schwierigkeiten eines erwachsenen Autisten dargestellt wird, wurde einem breiten Publikum diese Behinderung bekannt. In diesem Film wird wirklichkeitsnah demonstriert, wie anstrengend und faszinierend zugleich der unmittelbare Umgang mit Autismus sein kann. Das Autismus-Syndrom verbinden viele Personen mit faszinierenden und ungewöhnlichen Verhaltensweisen.

„Besonders in populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen werden autistische Kinder immer wieder mystifiziert. Sie werden beschrieben als Kinder, die nicht in dieser Welt leben, als Wesen, die verzweifelt nach Ordnung suchen, die sich nach Kontakt sehnen und im eigenen Ich gefangen sind." (Dzikowski, 1993, S.8)

In der Vorstellung Außenstehender gilt der Autismus als rätselhafte Krankheit. Betroffene gelten als traurige, in sich zurückgezogen, geheimnisvolle Sonderlinge, die trotz außerordentlicher Fähigkeiten nicht fähig sind, zu kommunizieren und in keinster Weise auf andere Menschen reagieren. Dies sind jedoch nur einige wenige Kennzeichnen von Autisten, die nicht verallgemeinert werden können, denn „...jedes autistische Kind ist auf seine eigene Weise autistisch." (Aarons, 1994, S.19). Es gibt kaum eine andere Behinderung die ein solches Maß an Variationen der Symptome aufzuzeigen hat, wie dasAutismus-Syndrom. Diese Vielfältigkeit werde ich im Laufe dieser Hausarbeit üver Autismus noch beleuchten.

Persönlich kam ich während meiner Arbeit in einem Wohnheim für geistig und körperlich behinderte Menschen mit dieser Art von Verhaltensstörung in Kontakt. Nun habe ich das Thema „Autismus" gewählt, um meine praktischen Erfahrungen in diese Hausarbeit durch theoretisches Wissen zuergänzen. Bevor ich mich in dieser Hausarbeit mit Therapieformen und der Pädagogik mitautistischen Kindern und Jugendlichen beschäftigen werde, halte ich es für notwendig, Verhalten und Verurachungstheorien näher zu erläutern, da ohne diese Aspekte das Verständnis für die verschiedenartigen und teilweise gegensätzlichen Therapiemöglichkeiten für Autismus schwer möglich ist.

1 Definition Autismus und frühkindlicher Autismus

Das Wort Autismus leitet sich ab vom griechischen Pronomen „autos" = selbst, also „Autismus" = Selbstbezogenheit. Der Autismus bzw. das Autismus-Syndrom ist eine besonders schwierig zu verstehende und komplexe psychische Störung, welche sich durch vollkommenen Rückzug in die eigenen Gedanken-, Gefühls- und Ideenwelt, durch das Sich-absondern von der Außenwelt und durch gleichzeitige Kontakthemmung zu anderen Menschen äußert.
Autisten „... folgen ihren eignen Impulsen, gehen ihren eigenen Interessen nach, unbekümmert um die Anforderungen der Umwelt " (Remschmidt, 2000, S.11). Autismus ist als schwere Beziehungsstörung und Kommunikationsstörung zu verstehen, welche eine verzögerte Persönlichkeitsentwicklung zur Folge hat.

Frühkindlicher Autismus

Beim frühkindlichen Autismus handelt es sich um eine komplexe und tiefgreifende Störung der kindlichen Entwicklung, die sich hier bereits vor dem 3. Lebensjahr manifestiert. Autismus macht sich als extreme Kontaktstörung schon in den ersten Lebensmonaten bemerkbar. Kardinalsymptomesind die extreme autistische Abkapselung von der menschlichen Umwelt sowie ängstlich- zwanghaftes Streben nach Gleicherhaltung der dinglichen Umwelt. Das autistische Hauptsyndrom ist in erster Linie eine Störung bei der Verarbeitung der unterschiedlichen Sinneswahrnehmungen zu einer brauchbaren Information. Autisten nehmen die Umweltreize zwar mit intakten Sinnesorganen auf, ihnen gelingt es dabei allerdings nicht, die Reize richtig einzuordnen oder in Beziehung zu einander zusetzen. In der Folge nehmen autistische Kinder eine chaotische Welt wahr, in der es ihnen nicht gelingt, sich zu orientieren. Die autistischen Kinder bekommen somit keine Möglichkeit, ihr Erleben und Verhalten zu organisieren und sich auf ihre Außenwelt einzustellen. Es ergeben sich große Probleme, das Verhalten anderer zu verstehen und sich in der Umwelt verständlich zu machen. Als Folge dessen ziehen sie sich in sich zurück - man sprich auch von einer autistischen Abkapselung - und entwickeln dabei stereotype Verhaltensweisen. Autismus tritt ca. bei 5 von 10000 Kindern auf, wobei Jungen 3- bis 4-mal häufiger betroffen sind. Untersuchungen haben ergeben, daß die Eltern autistischer Kinder meist intelligenter als der Bevölkerungsdurchschnitt sind, sowie dass Autismus kein kulturspezifisches Phänomen ist.

10 Entwicklungsverlauf und Prognose von Autismus

Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte, seit der Entdeckung der autistischen Störung, zeigten daß nur sehr wenige Kinder und Jugendlich restlos von ihren früheren Entwicklungshemmnissen befreit werden können. In vielen Fällen bleibt ein erhöhter Betreuungsaufwand unentbehrlich. Häufig ist ein ständig steigendes Interesse an sozialen Kontakten bei älteren Autisten zu beobachten, bizarre oder zwanghafte Verhaltensweisen bleiben allerdings erhalten. Jedoch kann auch eine autistische Rückzugstendenz im Erwachsenenalter vorliegen, wenn keine Fördermaßnahmen durchgeführt werden. Abschließen lässt sich sagen, daß eine Heimunterbringung in vielen Fällen sinnvoll ist. Die Eltern können der jahrelangen Belastung nicht auch noch im Erwachsenenalter ihres autistischen Kindes standhalten. Viele Wohneinrichtungen verfügen über ausgebildetes Personal und unterstützen die Entwicklung des Bewohners durch individuelle Förderkonzepte. Der Großteil der autistische Jugendliche wird in geschützten Werkstätten beruflich gefördert. Ein sehr geringer Anteil der autistischen Menschen findet den Einstieg in das normale Berufsleben. Dies setzt eine hohe Bereitschaft des Betriebes und Offenheit der Kollegen, sich auf die Besonderheiten des Autisten einzulassen, voraus.

11 Schlusswort

Während meiner Tätigkeit im Wohnheim für geistige behinderte Menschen hatte ich mit einigen Autisten engeren Kontakt und habe deren autismustypischen Verhaltensweisen erleben können. Jedoch mußte ich anhand von

2 Die Geschichte des Autismus

Schon im Jahre 1911 prägte der Schweizer Psychiater Eugen Bleuler den Begriff „Autismus" und verstand darunter die Loslösung von der Wirklichkeit und den damit verbundenen Rückzug in eine eigene Welt. Als „autistisch" galten zu dieser Zeit schizophrene Personen, bei denen eine extreme Selbstbezogenheit sowie ein starker sozialer Rückzug zu beobachten war.

Erst vor etwa 50 Jahren wurde der Autismus als eigenständige Krankheit erkannt, die sich vom Schizophrenen abgrenzt und schon in der frühen Kindheit beginnt. Maßgebend waren hier der Kinderarzt Hans Asperger (Wien) und der Psychiater Leo Kanner, die das Syndrom unabhängig voneinander beschrieben. Ihnen fielen stark in sich zurückgezogene und auf sich selbst bezogene Kinder auf. Der Amerikaner Kanner beschreibt im Jahre 1943 als erster das Symptom desfrühkindlichen Autismus als eine Untergruppe innerhalb der Kindheitschizophrenie. Die von ihm untersuchten autistischen Kinder wehrten jeden Kontakt ab, sprachen nicht oder in eigentümlicher Weise und waren in extremer Maße um die Gleicherhaltung ihrer Umwelt bemüht. Kanners diagnostische Kriterien zur Bestimmung dieser ungewöhnlichen Verhaltensstörung sind noch heute von Bedeutung. Unabhängig von Kanner beschrieb Asperger ein ähnliches Erscheinungsbild und nannte dies Autistische Psychopathie.
Anhand von Berichten über sogenannte Wolfskinder, die sehr autismusähnliche Besonderheiten aufweisen, kann man davon ausgehen, dass schon lange vor der begrifflichen Festlegung das Phänomen des Autismus-Syndroms bekannt war.

3 Formen des Autismus

Autistische Störungen werden in verschiedene Gruppen unterteilt, wobei allen Formen des Autismus-Syndroms Störungen im zwischenmenschlichen Verhalten sowie in der Kommunikation zugrunde liegen.

Asperger-Syndrom und Kanner-Syndrom

KategorienAsperger-SyndromKanner-Syndrom
Beginn der Störung 2.-3. Lebensjahr in den ersten Lebensmontaten, vor dem 3. Lebensjahr
Kontaktstörung Mitmenschen erscheinen als Störfaktoren, Blickkontakt fehlt oder ist selten Mitmenschen erscheinen als nicht existent, Blickkontakt möglich, aber nur kurz
Geschlecht /Sprache

fast nur Jungen (8:1), häufig sehr früh beginnende Sprachentwicklung mit herausragendem Sprachvermögen, Kind spricht, bevor es läuft

Jungen und Mädchen (3:1), häufig verzögerte oder dauerhaft gehemmte Sprachentwicklung, Kind läuft, bevor es spricht
Motorik Ungeschicklichkeiten, motorische Retardierungen motorische Entwicklung ist unauffällig
Intelligenz durchschnittlich bis überdurchschnittlich, herausragende Spezialbegabung Abstraktionsvermögen und Symbolverständnis eher gut häufig unterdurchschnittlich, partielle oder universelle Störungen,Abstraktionsvermögen und Symbolverständnis eher schlecht
familiärer Hintergrund intellektuelle Väter mit autistischen Zügen Intellektuellenfamilien Väter und Mütter mit autistischen Zügen
Prognose Defizite bis ins Erwachsenenalter Persitieren bis in die Adolesenz und Erwachsenenalter

Atypischer Autismus

Der atypische Autismus unterscheidet sich vom frühkindlichen Autismus dadurch, daß sich die auffällige Entwicklung der autistischen Symptome erst nach dem 3. Lebensjahr manifestiert (späterer Krankheitsbeginn) oder nicht alle 3 Bereiche der diagnostische Kriterien (Vollbild) für den frühkindlichen Autismus erfüllt werden.

Rett-Syndrom

Nach einer anfangs normalen Entwicklung manifestiert sich diese Störung zwischen dem 5. Lebensmonat und dem 4. Lebensjahr. Das Rett-Syndrom wurde bisher nur bei Mädchen festgestellt. Die auffälligsten Merkmale der Rückentwicklung sind die Abnahme des Kopfwachstums und der Verlust bereits erworbener Fähigkeiten, wie zum Beispiel Sprachgebrauch und zielgerichtete Handbewegung. Nach dem Stillstand der Entwicklung kommt es zum Abbau motorischer und kognitiver Funktionen, stereotype Bewegungen bilden sich aus, der Gang und die Körperbewegung werden unkoordiniert und Kommunikationsstörungen setzten ein, da sich die Sprachentwicklung verlangsamt. Der zunehmende Abbau der Intelligenz wird häufig von epileptischen Anfällen begleitet.

4 Ursachen des Autismus

Allgemein

Es gibt trotz umfangreicher Forschungsergebnisse bislang noch kein Erklärungsmodell, das vollständig und schlüssig die Entstehungsursachen der autistischen Störung belegen kann. Fest steht, dass die autistische Störung durch verschiedene Faktoren, die teilweise in Wechselwirkung miteinander stehen, ausgelöst wird und meist eine gewisse allgemeine kognitive Beeinträchtigung besteht. Eine einheitliche Ursachenerklärung ist auch in den nächsten Jahren nicht zu erwarten, da alle bisherigen Erkenntnisse diese Multikausalität als Verursachung der autistischen Störung belegen. Durch das Zusammenspiel verschiedener Faktoren kann man sich die Entstehung der autistischen Störung folgendermaßen vorstellen: Eine exogene Hirnschädigung oder eine mit Hirnbeteiligung verbundene Krankheit trifft mit einer zum Autismus neigenden erblichen Disposition zusammen und bewirkt eine kognitive Störung. Dazu kommen während der Entwicklung noch sekundäre Faktoren wie soziale und emotionale Einflüsse und Erziehungspraktiken. Im Folgenden werden die bisher bekannten möglichen Verursachungstheorien über Autismus vorgestellt.

Ursachen aus biologischer, genetischer, neurologischer und biochemischer Sicht

Psychologische Ursache von Autismus

Jahrzehnte lang ging man von psychosozialen Aspekten als Ursache des frühkindlichen Autismusaus. Das Verhalten der Mutter (Eltern) soll nach dieser Theorie eine entscheidende Rolle bei der Entstehung des Autismus spielen. Es wurde angenommen, dass ablehnendes Verhalten der Mutter, welche keine normalen Instinkte gegenüber ihrem Kind entwickelt, der Auslöser für dessen Zurückgezogenheit sei. Das Kind schütze sich mit seinem Rückzug in sein Inneres vor den Enttäuschungen und Verletzungen, die es durch die emotionale Ablehnung von der Mutter erfährt. Das Kind wird dadurch in seiner Persönlichkeitsentfaltung gehindert und ist später nicht fähig, Kontakt zu seiner Umwelt aufzunehmen. In den 60er Jahren meinte man, dass Autismus nicht ursächlich auf das Fehlverhalten der elterlichen Erziehung zurückzuführen ist. Es zeigte sich jedoch, dass diese Theorie keine allgemeine Gültigkeit haben konnte. Man konnte den Eltern autistischer Kinder keine besondere emotionale Kälte oder Ablehnung ihrer Kinder nachweisen. So stellte man z.B. bei Kindern, die unter extremer Vernachlässigung aufwuchsen, keinerlei autistische Züge fest, entdeckte aber gleichzeitig, dass bei manchen Kindern trotz einer liebevollen Mutter Merkmale des Autismus zu verzeichnen waren. Die Forschungsuntersuchungen der letzten Jahre entlasten die Eltern von ihrer "Schuld", Auslöser für das autistische Verhalten ihres Kindes zu sein.

Genetische Faktoren für Autismus - Ist Autismus vererbbar?

Seit kurzem werden genetische Aspekte diskutiert, da neueste Studien aus den USA Hinweise auf einen genetischen Fehler, der die Entwicklung bei der Ausbildung des Stammhirns nach sich zieht, ergaben. Die Vererbung spielt als Ursache des Autismus eine nicht unerhebliche Rolle. Unschlüssig sind sich die Forscher allerdings, ob die autistische Störung an sich vererbt wird. Viel eher geht man davon aus, dass sich die Erbeinflüsse auf einzelne Teilkomponenten (z.B. die kognitive Störung) der autistischen Störung beziehen. Zur Argumentation stützt man sich auf Familien- und Zwillingsstudien. Zwillingsstudien liefern die Beweise für diese genetische Verursachungstheorie. Hier stellte man heraus, dass bei eineiigen Zwillingspaaren, gegenüber Zweieiigen, wesentlich häufiger beide Kinder von autistischen Zügen betroffen sind. Familienstudien gaben Hinweise auf eine familiäre Häufung des Autismus, da unter den Blutsverwandten der Autisten 10mal häufiger als sonst eine weitere autistische Störung zu finden ist. Auch stellte man fest, daß bei Geschwisterkindern der Autisten vermehrt Sprachentwicklungs-störungen oder geistige Defizite auftreten. Molekularbiologische Untersuchungen haben zudem ergeben dass auf bestimmte Chromosomen Gene liegen, welche mit großer Wahrscheinlichkeit für die Verursachung der autistischen Störung verantwortlich sind.

Hirnorganische und neurologische Faktoren des Autismus

Heute konzentriert man sich bei der Suche nach den Ursachen des Autismus auf die biologisch bedingte Störung der Hirnfunktion, die zu Funktionsstörungen im zentralen Wahrnehmungsapparat führen. Als Nachweis dienen verschiedene neurologische Veränderungen und Erkrankungen. Bei Hirnuntersuchungen autistischer Kinder stellte man gestörte Hirnstromwellen und verminderte Hirndurchblutung fest und konnte nachweisen, dass vor allem die Hirnregionen, welche im Zusammenhang mit der Sprachentwicklung und dem Sozialverhalten stehen, bei autistischen Kindern unterentwickelt sind. Je nach Ausmaß der Hirnveränderung treten die Symptome in unterschiedlicher Intensität auf. Etwa 1/3 der Autisten leiden zudem später an epileptischen Anfällen. Eine große Anzahl autistischer Kinder erlitt Sauerstoffmangel während der Geburt (exogener Hirnschädigung) oder erlitten im frühen Säuglingsalter Hirn- oder Hirnhautentzündung, was zurSchädigung des zentralen Nervensystems führen und eine Hirnschädigung zur Folge haben kann. Die Diagnose lautet dann „frühkindlicher Autismus" bei frühkindlichem Hirnschaden. Eine Erkrankung der Mutter an Röteln erhöht das Risiko, dass das Kind autistische Züge entwickelt um zirka das 10fache, da der Rötelvirus unter anderem das Wachstum des Gehirns beeinträchtigt. Auch ein erhöhter Blutzuckerspiegel der Mutter während der Schwangerschaft könnte sich als hirnschädigender Auslöser einer autistischen Störung auswirken.

Biochemische Befunde

Untersuchungen von Stoffwechselprozessen autistischer Kinder haben eine Abweichung vom Spiegel einiger Hormone (No/Adrenalin) und Nervenbotenstoffen (Dopamin) ergeben. Wie auch bei Kindern mit geistiger Behinderung haben viele Autisten einen erhöhten Spiegel des Hirnbotenstoff Serotin. Die Gründe dafür sind allerdings ungeklärt. Im Weiteren reagiert das Immunsystem einiger Autisten auf diesen körpereigenen Stoff (ebenso wie auf die Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin) mit Abwehrreaktionen. Diese biochemischen Störungen werden zur Erklärung derAufmerksamkeitsdefizite, des anormalen Sozialverhaltens und der häufigen Lernschwierigkeit der Autisten herangezogen. Als mögliche Störungsursachen gelten auch der Mangel an essentiellen Stoffen, wie Vitaminen, Fettsäuren, die durch einseitige Ernährung oder Alkoholkonsum der Mutter während der Schwangerschaft hervorgerufen werden.

5 Kernsymptome und Besonderheiten des Autismus

Vorweg möchte ich erwähnen dass das autistische Symptom in seiner Ausprägung und Intensität unterschiedlich und sehr vielseitig ist. Eine autistische Wahrnehmungsverarbeitungs- und Beziehungsstörung kann einen recht vielfältigen Ausdruck finden. Wenn ich also im folgenden Kapitel die Auffälligkeiten autistischer Kinder darlege ist zu beachten das keinesfalls alle autismustypischen Merkmale gleichzeitig bei einem Kind auftreten können. Viele der Symptome sind widersprüchlich und schließen sich daher aus. Es soll eine Auswahl darstellen, wobei ich die Breitfächerung des Autismus verdeutlichen möchte, da dies für pädagogische und therapeutische Ansätze entscheidend ist.

5.1 Beeinträchtigung der zwischenmenschlichen Beziehung/ Ichbezogenheit

Leo Kanner schrieb "... es handelt sich vom Anbeginn an um ein autistisches Alleinsein, welches alles, was von außen auf das Kind einwirkt, nicht beachtet, ignoriert und ausschließt." (Remschmidt, 2000, S. 10).

Eines der Kernsymptome des Autismus ist die Auffälligkeit in der sozialen Interaktion, Kanner sprach von „... einer angeborene Unfähigkeit, normale und biologisch vorgesehene affektive Kontakte mit anderen Menschen herzustellen." (Remschmidt, 2000, S.10). Autistische Kinder sind sich häufig der Existenz oder den Gefühlen anderer Personen nicht bewußt und können dadurch nicht auf sie reagieren oder Einfühlungsvermögen zeigen. Durch diese Schwierigkeit Situationen aus dem Blickwinkel anderer zu betrachten, um somit z.B. deren Reaktionen zu unterscheiden, mißverstehen sie das Verhalten anderer Personen und lassen sich durch die für sie schwer einzuschätzenden Verhaltensweisen aus der Fassung bringen. Autisten sind unfähig, das normale Maß an sozialem Gespür aufzubringen und sind in gewisser Weise gefühlsgestört, sie teilen Aufmerksamkeit und Freude nicht mit anderen und selbst Trost in Situationen seelischer Not suchen sie nur sehr begrenzt. Ebenso ist auffällig das der größte Teil der autistischen Kinder nur sehr eingeschränktes Nachahmungsverhalten zeigt. Handlungen Anderer werden eher mechanisch imitiert, ohne auf den Situationsbezug zu achten. Diese ausbleibende Imitationsfähigkeit hindert die Kinder am Lernen, denn die sich bis zum 2. Lebensjahr ausbildenden Vorstellungen erwachsen aus verinnerlichter Imitation. Der gestörte zwischenmenschlicher Kontakt äußert sich z.B. durch die starke Zurückgezogenheit in sich selbst, das sich Abkapseln von der Realität und das damit verbundene Vermeiden jeglichen Kontakts zur sozialer Umwelt. Nur selten werden andere Kinder zum Spielen herangezogen. Die Kontaktaufnahme zu Gleichaltrigen ist daher sehr erschwert, so daß sehr selten Freundschaften geschlossen werden können. Eine besondere Schwierigkeit besteht im Verstehen sozialer Zusammenhänge und Regeln, Autisten beziehen z.B. an eine Gruppe gerichtete Ansprache nicht auf sich. Dadurch ist es ihnen schwer möglich ihre Mitmenschen zu verstehen und sich selbst gegenüber ihrer Umwelt auszudrücken und angemessen auf Situationen zu reagieren. Die Umgebung erscheint ihnen unverständlich, so daß sie sich zurückziehen und dabei stereotype Verhaltensweisen entwickeln, welche ihnen durch ihr verläßliches Wiederkehren Sicherheit geben. Autisten zeigen größeres Interesse für die sachliche Umwelt als für menschliche Wesen. Ihr Sozialverhalten scheint also darauf ausgerichtet zu sein, Kontakte durch langandauernde Beschäftigungen mit Gegenständen, durch Fixierung auf bestimmte Bewegungsabläufe oder durch selbstbeschäftigende bzw. selbststimulierende Rituale aus dem Weg zu gehen. Die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft, ebenso wie die Fähigkeit zur Eingliederung in die Gesellschaft stellt sich aufgrund der genannten Faktoren als sehr schwierig dar.

5.2 Wahrnehmungsstörung

Unter Wahrnehmung versteht man das Aufnehmen und Empfinden von Sinnesreizen, die jeder Mensch zu einem subjektiven Abbild der Wirklichkeit verarbeitet. Autisten haben Probleme die auf sie einwirkenden Reize zu verarbeiten und logische Zusammenhänge zu bilden, was zu einer Überforderung führt. So ist es möglich, daß nun entweder eine totale Abwehr der Außenwelt erfolgt, die autistischen Kinder erscheinen dann wie taub oder blind, oder die Reize selektiert werden. Die Autisten neigen dann dazu sich Einzelreizen zu widmen, welche außerordentlich genau registriert werden, dies erklärt auch warum Autisten auf bestimmte Geräusche empfindlich reagieren. Wenn ein neuer Reiz nicht mit der bestehenden Vorstellung des Autisten in Zusammenhang gebracht werden kann, wird dieser völlig abgeschaltet, da er als störend empfunden wird. Durch die Reizverarbeitungsstörung können Autisten Gefahren nur eingeschränkt erkennen und keine Reaktionen auf Kälte, Hitze, sowie schmerzhafte Verletzungen. Der Autist Dietmar Zöllner beschrieb seine taktile Wahrnehmung folgendermaßen: „ ..., daß ich manchmal in bestimmten Körperregionen fast nichts spüre. Man könnt mich schlagen, ohne daß ich es als Schmerz registrieren würde. Dann aber wieder bin ich außerordentlich empfindlich und habe das Gefühl, daß jede Berührung elektrische Impulse in Gang setzt..." (Zöllner1992, S.9.)

Durch Defizite der Vorstellungs- und Verarbeitungsfähigkeit fällt Autisten das Generalisieren, also das Übertragung einer Leistung auf veränderte Umstände, auf andere Personen oder auf einen anderen Ort sehr schwer. Ebenso können sie keine Erkenntnisse von der Beständigkeit der Objekte entwickeln. Daher bieten beständige Dinge größeren Anreiz als menschliche Objekte, da ihre Existenz nicht in Frage gestellt werden muß, da sie nicht zeitweise aus ihrem Wahrnehmungsbereich verschwinden.

5.3 Beeinträchtigung der Kommunikation und Phantasie

Autisten sind nur sehr eingeschränkt kommunikationsbereit und –fähig, sie verständigen sich oftmals werden verbal, noch durch Körpersprache (Mimik und Gestik). Sie treten selten durch Blickkontakt oder ein Lächeln mit anderen Personen in Verbindung. Häufig lehnen sie Körperkontakt völlig ab und sträuben sich dagegen, wenn die Eltern sie in den Arm nehmen. Ca. die Hälfte der Kinder bleiben ihr Leben lang mutistisch, d.h. ihre Sprachentwicklung bleibt aus. Sprechende Autisten erwerben selten eine sinnvolle Sprache oder zeigen meist ein verzögertes, stark beeinträchtigtes oder reduziertes Sprachvermögen, wobei ihr sprachliche Ausdrucksmöglichkeit und ihr Sprachverständnis oft sehr gering ist. Einige Autisten nutzen ihre Sprach nur selten, obwohl sie in der Lage sind Wörter und Satzteile hervorzubringen. Das Sprechen dient nicht der direkten Kommunikation (Unterhaltung) sondern nur der Mitteilung von eigenen Bedürfnissen. Die Sprache wird eher mechanisch verwendet und Sätze oftmals situationsunangemessen verwendet oder es werden selbsterfundene Wörter, die eine spezielle Bedeutung haben, benutzt. Ein Gespräch kann dadurch selbst bei gut ausgebildeten Sprechvermögen nur schwer zustande kommen, da die Autisten von selbst kaum Kommunikation aufnehmen. Oft ist auch zu beobachten, daß erworbenes Sprechen im Laufe des zweiten Lebensjahres wieder eingestellt wird. Des Weiteren fallen oft Besonderheiten der Sprache, wie z.B. ungewöhnliche Betonung (Sprachmelodie), Lautstärke, Geschwindigkeit oder der Telegrammstil auf. Ein besonderes Kennzeichen der „autistischen Sprache" ist die verzögerte Echolalie, also das Wiedergeben und Nachsprechen von Sprachäußerungen Anderer, sowie das Verharren in Sprachstereotypen, also das ständige Wiederholen einzelner Wörter und Fragen oder die andauernde Wiederaufnahme bestimmter Themen, dies kann auch in Form von Selbstgesprächen ablaufen. Diese Sprachäußerungen können ein Kommunikationsangebot im Rahmen der begrenzten Möglichkeiten oder aber Resultat von Überforderung sein. Weiter Auffälligkeiten sind die pronominale Umkehr, d.h. das statt „ich" das Pronom „du" verwendet wird. Auch neigen Autisten zu Selbstgesprächen mit verteilten Rollen.

5.4 Spielverhalten, Stereotypen, Selbststimulation

Autisten neigen zur Selbststimulation und zu motorischen Stereotypen, das heißt dass sie bestimmte Körperbewegungen ständig wiederholen. Autistische Kinder können oftmals nicht angemessen allein spielen und benutzen das Spielzeug in immer gleicher, oft zweckentfremdeten Art und Weise und verharren dabei in starren stereotypen Handlungen. Auch wenn es bei einigen Kindern scheint, als sei ihr Spielen zielgerichtet und sinnvoll, besteht es aus ständigen Wiederholungen die sich nicht weiterentwickeln. So werden Spielsachen in bestimmter Weise angeordnet und müssen an einer gewohnten Stelle liegen.
Häufige Stereotypen sind das Drehen, Kreiseln von Rädern, Sandrieseln und das Wedeln von Papier. Auch eine exzessive Sammelleidenschaft bestimmter Gegenstände ist zu beobachten. Das Spielverhalten autistischer Kinder ist dadurch gekennzeichnet, daß sie sich ohne Bezug auf ihren Spielpartner mit Objekten beschäftigen. Meist tritt eine ausschließliche Beschäftigung mit einer bestimmten Sache, wie z.B. Modelleisenbahnen, Waschmaschinen, Fahrplänen ein. Auch zeigen einige Autisten erstaunliche Begabung beim Zusammenlegen von Puzzeln, sowie großes Interesse an Mustern, Licht und Farben.
Auffällig sind auch der Mangel an phantasievollen Aktivitäten und Spielen, sowie die fehlende Imitationsfähigkeit.

Charakteristisch für Autisten ist ihre Neigung zur Selbstimmulation, dies zeigt sich meist in Form von Stereotypen wie Schaukeln, Wippen oder durch das Erzeugen von Geräusche bestimmter Art. Problematisch ist, daß die Kinder durch diese stereotypen selbststimmulierende Verhaltensweisen, in ihrer Entwicklung gehemmt werden, da sie immer nach dem gleichen Muster ablaufen und kaum durch neue Erfahrungen ergänzt werden. Eine weitere Form der Selbststimmulation ist das Augenbohren, wodurch bestimmte Lichtreflexe hervorgerufen werden. In extremen Formen kann Selbststimulation auch zu Selbstverletzungen, welche sich durch Autoaggressionen wie Beißen, Kratzen und mit dem Kopf gegen die Wand schlagen äußert. Häufig bevorzugen autistische Menschen starken Druck.

„Ich weiß gar nicht mehr, wann ich zum ersten Mal meine Hände gespürt hab. Meine Mutter muß sie wohl sehr stark gedrückt haben. Das gefiel mir. Ich habe es immer sehr geliebt, wenn man mich fest gepackt hat. Irgendwann habe ich dann gemerkt, daß ich mir solche angenehmen Gefühle selbst verschaffen kann, indem ich mir z.B. auf die Nase haue... " (Zöllner, 1992, S.9)

5.5 Festhalten an Gewohnheiten, zwanghafte Ängstlichkeit und Aggressionen

Autisten sind oft zwanghaft auf einen Gegenstand oder auf eine bestimmte Tätigkeit fixiert. Unterbrechung oder Veränderung ihrer Gewohnheiten,
z.B. Umräumen des Zimmers, eine fremde Umgebung oder Änderungen im Tagesablauf rufen starkes Unbehagen bis Panik hervor. Auf welche sie mit Rückzug, Schreien oder Aggressionen, die sich sowohl gegen sich selbst (Autoaggressionen) als auch gegen andere richten kann, reagieren . Auch setzten sie alles daran die alte Ordnung wieder herzustellen. Oft weigern sich Autisten bestimmte Dinge (z.B. neue Kleidung, bestimmte Nahrungsmittel) anzunehmen und setzen sich diesen zur Wehr. Da viele Autisten ihre Umgebung detaillierte beobachten nehmen sie die kleinste Veränderung war, welche Veränderungsängste hervorrufen. Aufgrund dieser Angst vor jeder neuen und unbekannten Situation verharren sie gern in vertrauten Situationen und haben das zwanghafte Bestreben die gewohnte (auch zeitliche) Ordnung zu erhalten. Bestimmte Handlungen im Alltag müssen in der gewohnten Reihenfolge ablaufen. Durch Bindung an gut kontrollierbare Gegenstände (z.B. technische Geräte), durch das Wiederholen gewohnter Aktivitäten und dem Festhalten an der gleichbleibenden Umwelt verschaffen sich die Autisten ein Gefühl von Sicherheit. Durch die Abwehr jeglicher Veränderung soll der Unsicherheitsfaktor möglichst klein gehalten werden.

5.6 Motorikentwicklung bei Autisten

Die Kinder zeigen Störungen im körperlichen Bereich, sie machen den Eindruck als seien sie in ihrem Körper nicht zu Hause.
Viele Autisten leiden unter motorische Unruhen und sind in ständiger Bewegung und Anspannung, welche sich nur sehr langsam abbauen lassen. Andere Kinder hingegen verharren zeitweilige in Bewegungslosigkeit. Auch mangelt es an Eigeninitiative. Wie schon erwähnt sind sich ständig wiederholende Bewegungen einzelner Körperteile oder des gesamten Körpers zu beobachten. Autisten zeigen oft eine bizarre Motorik, sowie auffällige Mängel Bewegungsfähigkeit und - abläufen. Ihr Gang wirkt daher unharmonisch, stelzenhaft (Zehengang) und unsicher, so daß die Kinder auch häufig stürzten. Außerdem zeigen sie Defizite in der Feinmotorik, und wirken ungeschickt, wodurch Probleme bei der Bewältigung praktischer Aufgaben auftreten.

5.7 Intelligenz und Stärken

Grundlegend ist die Intelligenz unabhängig von der autistischen Störung. Das Intelligenzniveau und die Begabungen sind jedoch sehr unterschiedlich. Ca. 2/3 der Autisten sind geistig behindert, der übrige Teil wird als durchschnittlich intelligent eingestuft, wobei einige wenige als überdurchschnittlich intelligent gelten. Die praktische Intelligenz der Kinder ist meist größer als ihr sprachliches Ausdrucksvermögen, da viel Autisten keine aktive Sprache entwickeln. Autisten verfügen häufig über besondere Fähigkeiten in Gebieten die kein soziales Verhalten voraussetzen oder nicht mit sprachlichen Fähigkeiten zusammenhängen. Sie zeigen teilweise schon in der früheren Kindheit beträchtliche Leistungen im Rechnen und technische Disziplinen. Viele Autisten besitzen ein ausgesprochen gutes (Tatsachen)Gedächtnis (z.B. das Kalendergedächtnis → das Kind kann über Jahre von jedem beliebigen Datum den Wochentag angeben) und zeigen erstaunliche Leistungen im Auswendiglernen (z.B. Gedichte und Telefonnummer werden exakt in jeder Einzelheit gespeichert). Auch sind besondere Begabungen im musikalischen und zeichnerischen Bereich zu beobachten. In ihren Spezialgebieten können Autisten ausdauernd arbeiten und herausragende Leistungen erlangen. Meist sind diese Fähigkeiten allerdings weitgehend für das praktische Leben wertlos.

6 Autistische Entwicklung

Das Anderssein des Kindes beginnt schon im ersten Lebensjahr. Säuglinge mit autistischer Störung sind meist auffallend ruhig und in sich zurückgezogen. Sie scheinen mit sich selbst zufrieden. Lautäußerungen treten meist sehr sporadisch, leise und monoton auf. Das Kind schläft viel und ist in seiner Motorik auffallend ruhig. Im Großen und Ganzen stellt es wenige Ansprüche an die Eltern und gilt daher oft als pflegeleicht, wodurch den Eltern zu diesem Zeitpunkt oftmals das abnorme Verhalten ihres Kindes nicht bewußt wird. Andere Kinder schreien häufig und leiden an Schlaflosigkeit und Eßstörungen. Meist gelingt es der Mutter nicht das anhaltende immer gleiche Schreien ihres Kindes zu unterscheiden (Hunger, Windel, Schmerz). Die Kinder lassen sich oft nur schwer beruhigen. Die Säuglinge zeigen wenig Interesse an ihrer Umwelt und scheinen am glücklichsten wenn sie allein gelassen werden. Auch fehlen alle Anzeichen der normalen Kontaktaufnahme des Kindes zu seinen Eltern. Das Kind nimmt selten oder gar keinen Blickkontakt auf, lächelt nicht und liegt teilnahmslos mit leerem Gesichtsausdruck in seinem Bettchen, es wirkt als nehme es keine Notiz von seiner Umwelt. Der Mutter fällt dabei häufig auf, daß der Säugling auf ihre Anwesenheit scheinbar keinen Wert legt und es seine Ärmchen nicht nach ihr ausstreckt. Autistische Kinder können zunächst kein Lächeln, kein Wort und keine Geste verstehen, so daß sie auch zu den Eltern kein normales Verhältnis aufbauen können. Das Kind nimmt daher selbst zur Mutter kaum Kontakt auf. Verursacht durch dieses Verhalten der Säuglinge entstehen Unsicherheiten bei den Eltern. Die primäre Störung des Kindes kann nun dazu führen die Mutter- Kind- Beziehung gestört ist.

Auf Körperkontakt reagieren autistische Kinder unterschiedlich. Werden die Kleinkinder auf den Arm genommen und gestreichelt, wenden sie sich häufig ab, schreien oder lassen die Berührungen gleichgültig über sich ergehen. Wieder andere Kinder suchen die Nähe und Liebkosungen von Kontaktpersonen. Die gesamte Entwicklung ist oft aber nicht immer verzögert. Meist lernen autistische Kinder sehr spät Krabbeln und Laufen. Im Laufe des 2. Lebensjahres treten erste Veränderungsängste auf, da in dieser Zeit die Beziehung zur dinglichen Umwelt geknüpft wird. Einige Autisten zeigen schon in der frühen Kindheit depressive Syndrome. Körperliche Anzeichen sind neben Schlaf- und Appetitlosigkeit, Kopf- und Bauchschmerzen. Die Kinder können meist sprachlich ihr Leid nicht äußern und fallen durch eine traurige Grundstimmung, Angst und deutliche Stimmungsschwankungen auf. Autistische Kinder weisen oft eine Über- oder Untersensibilität gegenüber taktilen, visuellen oder akustischen Sinnesreizen auf. Einerseits wirken sie dadurch oft wie taub oder schwerhörig, da sie oft auf laute Geräusche und Ansprache (da sie teilweise die Sprache nicht verstehen) nicht reagieren. Andererseits horchen sie bei speziellen leisen Tönen auf. Eben solche Auffälligkeiten lassen sich im visuellen Bereich beobachten, so erregen z.B. Lichtreflexe, Muster und Glitzer das Interesse autistischer Kinder. Auch interessieren sich Autisten selten für die Gesamtheit einer Person oder eines Gegenstandes. Ihre Aufmerksamkeit richtet sich vielmehr auf bestimmte Details, wie Schmuck oder Brillen. Zur Erkundung von Personen und Gegenständen kommt es zum starken Einsatz der Sinne; sie werden belecken, betastet, beschnüffelt und die Oberflächen werden abgeklopft.

Autistischen Kindern fehlt bis zum 2. Lebensjahr jegliches Sprachverständnis, so dass sie selbst sehr spät ins Fragealter kommen und dann lediglich stereotype Fragen, deren Antwort sie kennen, stellen. Um ihre Bedürfnis und Wünsche zu äußern ergreifen sie die Hand des „Helfers" und führen die Person zu dem gewünschten Gegenstand. Im Kindergarten zeigen sie keinerlei Interesse an den anderen Kindern und spielen lieber allein mit Gegenständen, welche sie nicht in zugedachter Weise nutzen. Der Kontakt zu anderen Kindern löst kein freudiges Verhalten aus und ruft, wie andere fremde Personen sogar Beklemmung hervor. Andererseits haben die Kinder keine Angst vor realen Gefahren (z.B. Straßenverkehr), reagieren aber ängstlich auf harmlose Gegenstände und Situationen. Der Höhepunkt der Symptomatik des Autismus liegt zwischen dem 5. und 8. Lebensjahr. Im Laufe der Entwicklung verlagern sich die Symptome, so nehmen z.B. Schlafstörungen, Angstanfälle, Geräuschempfindlichkeit und motorische Unruhen ab, wogegen sich Stereotypien über die Jahre manifestieren. Während der Pubertät nimmt aggressives Verhalten zu, was den Umgang mit den Jugendlichen sehr erschwert. Im Stadium des Heranwachsens haben sich Autisten einigermaßen an ihre Umwelt gewöhnt und haben teilweise Kontakt zu anderen Personen aufgebaut. Jedoch beschränkt sich die zwischenmenschliche Kontaktfähigkeit weiterhin auf wenige Bezugspersonen. Zu beobachten ist, daß in dieser Zeit häufig jegliche Eigeninitiative fehlt, da die Autisten in ihren gewohnten Verhaltensstrukturen verharren.

6.1 Beeinträchtigung für die Familie

Da die autistischen Kinder meist körperlich normal entwickelt sind fallen sie optisch nicht als behindert auf. In vielen Berichten werden so außerdem als ausgesprochen hübsch beschrieben. Den Kindern ist ihre Wahrnehmungsverarbeitungs- und Beziehungsstörung nicht anzumerken, so werden ihre unangemessenen Verhaltensweisen in der Öffentlichkeit von Außenstehenden oft als unerzogen erlebt und den Müttern wird folglich die Schuld am Fehlverhalten ihrer Kinder zugewiesen. Ein autistisches Kind bedeutet für die Familie eine deutliche Einschränkung und grundlegende Veränderung des Alltags. Die Eltern müssen sich ständig mit zahlreichen autismusspezifischen Problemen auseinandersetzten. Dazu gehören zum einen das Zurückbleiben der Selbständigkeitsentwicklung und zum anderen das Bewältigen alltägliche Verhaltensprobleme, wie z.B. Schlafstörung, Stereotypen und Wutanfällen oder andere unberechenbaren Verhaltensweisen der autistischen Kinder während des Einkaufes oder des Arztbesuches. Auch bedeutet jede neue Situation, wie Umzug, Urlaub usw. eine unvorstellbare Krise, da Autisten heftigen Widerstand gegenüber den kleinsten Veränderungen zeigen. Ein „normales" Familienleben ist kaum möglich, die Familie gerät schnell in eine Isolation. Die jahrelange Dauerbelastung für die Familie, besonders der Mutter und der Geschwisterkinder wirkt sich wiederum ungünstig auf die Entwicklung des autistischen Kindes aus, wenn die ständigen Bezugspersonen aufgrund dieser Überlastung selbst erkrankt oder depressive Schuldgefühle entwickeln. In bestimmten Fällen ist eine Unterbringung in einer Vollzeiteinrichtung eine sinnvolle Alternative zum Verbleib in der Familie. Der Heimaufenthalt bietet dem Kind einen geregelten Tagesablauf und Betreuung und Förderung durch ausgebildetes Personal. Das Eltern- Kind- Verhältnis verbessert sich häufig und die familiäre Lage kann sich entspannen.

7 Diagnostik

In den ersten Lebenswochen lässt sich der frühkindliche Autismus selten feststellen. Meist werden die Eltern ab dem 12. Monat aufgrund einiger Auffälligkeiten, wie z.B. die ablehnende Haltung des Kindes gegenüber der Mutter, Selbstzufriedenheit oder Hyperaktivität und der ausbleibenden Sprachentwicklung, auf eine mögliche Fehlentwicklung ihres Kindes aufmerksam. Bis eine endgültige Diagnose gestellt wird vergehen jedoch oft Jahre, da die Ärzte und Fachleute die Störung häufig nicht früher einordnen können. Häufig kommt es vor, dass die Eltern der Kinder mit der genannten Frühsymtomatik mit der Diagnose „Entwicklungsverzögerung" beruhigt werden. Aufgrund des Nichtreagierens auf Ansprache und dem fehlenden Blickkontakt wird bei diesen Kindern oftmals auch die Fehldiagnose taub oder taubblind gestellt. In der Internationalen Klassifikation der Erkrankungen (ICD-10) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden folgende Kernsymptome zur Früherkennung der autistischen Störung benannt. „Der „frühkindliche Autismus" ... eine Form der tiefgreifenden Entwicklungsstörung, die durch eine abnorme oder beeinträchtigte Entwicklung definiert ist und sich vor dem 3. Lebensjahr manifestiert; außerdem ist sie durch gestörte Funktionsfähigkeit in den 3 folgenden Bereichen charakterisiert: in der sozialen Interaktion, der Kommunikation und im eingeschränkten repetitiven Verhalten." (Nieß, 1995, S.16). Anhand der folgenden Diagnose- und Klassifikationskriterien kann der frühkindliche Autismus von anderen Störungen, wie geistiger Behinderung, Taub- und Blindheit, Schizophrenie und Tics unterschieden werden.

  1. Qualitative Beeinträchtigung der zwischenmenschlichen Beziehung
    • deutlicher Mangel Gefühle und Bedürfnisse andere Menschen wahrzunehmen
    • keine oder mangelnde Imitationsfähigkeit und soziales Spielen
    • starke Beeinträchtigung in der Kontaktaufnahme und Freundschaftsschließung
    • Geringer Gebrauch sozialer Signale
  2. qualitative Beeinträchtigung in der Kommunikation und Phantasie
    • charakteristische Störung der Sprache (die vom völligen Fehlen der aktiven Sprache und des Sprachverständnisses bis hin abnormen Sprache reicht (Stereotypen, Echolalie)
    • keine Kommunikationsaufnahme zum sozialen Gebrauch
    • mangelndes Interesse an Phantasiegeschichten
  3. deutlich eingeschränktes Repertoire von Aktivitäten und Interessen
    • zwanghaftes Bestehen auf Gleicherhaltung der dinglichen Umwelt (Routine), Äußerung von Panik und Angst bei Veränderung
    • eingeschränktes, stereotypes, sich wiederholendes Repertoire von Aktivitäten
    • deutlich eingeschränktes Interesse und eingeschränkte Beschäftigung

(vgl. Remschmidt, 2000, S.17)

Für eine sichere Diagnostik muß das Kind über einen längeren Zeitraum beobachtet werden. Die Verhaltens- und Verlaufsbeobachtungen dienen der Feststellung von Fähigkeiten und Defizite des Kindes. Auch umfangreiche Berichte der Eltern und Bezugspersonen über auffallende Verhaltensweisen und Entwicklungsauffälligkeiten des Kindes sind unabdingbar. Die Diagnose wird, unabhängig vom Vorhandensein einer körperlichen Erkrankung, anhand des Verhaltens gestellt. Sind bei einem Kind eine bestimmte Anzahl aus jedem der 3 Funktionsbereiche zu beobachten und liegt der Beginn der Störung vor dem 36. Lebensmonat wird anhand der Summe und Intensität der benannten Symptomen die Diagnose „Autismus" gestellt. Können nur einige Merkmale beobachtet werden spricht man auch von „autistischen Zügen". Wichtig ist, daß nicht alle Symptome gleichzeitig, nebeneinander auftreten müssen, einige der in der Liste aufgeführten Merkmale schließen sich sogar aus.

8 Therapie und Behandlungsmethoden für autistische Kinder und Jugendliche

Nach heutigem Wissenstand ist Autismus nicht heilbar. Alle Therapie- und Behandlungsmethoden dienen demnach ausschließlich zur Linderung der Symptome. Eine möglichst zeitig eingesetzte Frühförderung kann die Entwicklung des autistischen Syndroms nicht verhindern, aber entscheidend dazu betragen, daß bestimmte Verhaltensstörungen gelindert werden können und die Entwicklung des autistischen Kindes positiver verlaufen kann.

Wichtig für die Entwicklung der Förderkonzepte und Therapieformen ist die Ursachenforschung, da sich entscheidende Fortschritte in der Behandlung autistischer Menschen ergeben können, wenn es gelingt, die verschiedenen Ursachen dieser tiefgreifenden Störung spezifischer zu erforschen. Aufgrund der verschiedenen Ursachefaktoren ergeben sich die vielfältigen Variationen dieser Störung, was wiederum bedeutet, daß auch bei der Therapie des Autismus mit den unterschiedlichsten Ansätzen gearbeitet werden muß. Wie unterschiedlich die Ausprägung der autistischen Symptome sein kann habe ich schon verdeutlicht, jedes autistische Kind und jeder autistische Jugendliche unterscheidet sich in seiner Symtomatik. Ebenso vielfältig und individuell müssen die pädagogischen und therapeutischen Ansätze sein. Wichtig dabei ist das der einzelne Mensch mit seiner individuell ausgeprägten autistischen Störung im Mittelpunkt steht. Durch gezielte Förder- und Therapiemaßnahmen läßt sich in vielen Fällen eine deutliche Verbesserung der Symptomatik erreichen und die Lebensqualität der autistischen Menschen und deren Bezugspersonen steigern. Leider erhalten noch zu wenig Autisten eine ihrer Behinderung entsprechende Förderung, auch wenn in Deutschland mittlerweile eine Vielzahl von Förderkonzepten entwickelt wurde.

8.1 Autismusspezifische Therapie

Ziel der autismusspezifischen Therapie ist es positive Veränderung in der Wahrnehmungsstörung zu bewirken, das Sozialverhalten und die Anpassungsfähigkeit zu verbessern, stereotype Verhaltensweisen abzubauen und lebenspraktische Fertigkeiten zu fördern. Es geht vor allem darum die Entwicklungsreserven aufspüren und diese dem betroffenen Patienten zugänglich zu machen. Zu überlegen ist, welche Fähigkeiten langfristig gefördert werden sollen und welche Stärken ausgebaut werden können. Ebenso müssen gezielt die schwächeren Bereiche, die das Kind in seiner Entwicklung hindern (z.B. Stereotypen, Aggressionen, Angstüberwindung, Konzentrationsfähigkeit) verbessert werden. Trotz großer Fortschritte ist ein Durchbruch in der Behandlung autistischer Kinder und Jugendlicher noch nicht gelungen. Bei der Auswahl der therapeutischen Vorgehensweise muß man daher zwischen bewährten Praktiken und Außenseitermethoden entscheiden. Neue Methoden sollte man ebenso aufgeschlossen, wie kritisch betrachten. Ein wichtiges Kriterium an eine Therapie zu erfolgreichen Behandlung der autistischen Störung sollte unter anderem eine langfristige Verhaltensänderung sein, welche auch nach der Behandlungszeit erhalten bleibt. Da Autismus erst relativ kurze Zeit bekannt ist, liegen wenige Langzeituntersuchungen vor. Vielfältige Erfahrungen haben jedoch ergeben, daß besonders lerntheoretische Prinzipien und körperbezogene Therapieverfahren erfolgversprechend sind. Grundsätzlich sind besonders die Methoden geeignet die auf die Störung der Wahrnehmungsverarbeitung positiv einwirken.

Eine allgemeine Therapie des autistischen Syndroms gibt es nicht. Dieser schematisierter Therapieverlauf soll zeigen wie ein ganzheitlicher Förderansatz aussehen kann.

  1. Diagnose „Autismus"
  2. Verhaltensanalyse und Beobachtungsphase, Herstellung des Kontaktes zwischen Therapeut und Autisten (oftmals schwierig)
  3. Base line → auch als Behandlungsplan zu verstehen, welcher unter Einbeziehung des Lebensumfeldes erstellt wird. Hierbei werden verschiedene Praktiken wie Verhaltenstraining, Musiktherapie, etc. zur Behandlung der individuellen Probleme ausgewählt und ein sogenannter multimodaler Behandlungsplan erstellt. Wichtig ist, daß sich alle Methoden auf das erwünschte Zielverhalten, bzw. –Symptom konzentrieren. Dieses Programm wird anschließend einige Wochen realisiert, ändert sich das Verhalten positiv wird die Methode beibehalten und ergänzt, ansonsten müssen andere Behandlungsmethoden herangezogen werden. Dieses Basisprogramm zielt vor allem drauf ab Wahrnehmungsauffälligkeiten abzubauen und eine sensorische Integration zu ermöglichen.
  4. Die Individuelle Aufbautherapie ist als Förderungskatalog zu verstehen, welche unterschiedlichen Therapieformen einschließt. Wichtig ist den Stellenwert der Symptome und Verhaltensauffälligkeiten zu erkennen, um diese Auffälligkeiten gezielt durch bestimmte Methoden zu beeinflussen. Vor allem der Abbau der Stereotypen und der Aufbau einer konsequenten Arbeitshaltung und Selbständigkeit stehen im Mittelpunkt, da dieser Faktoren entscheidend für die soziale Integration und ein zumindest teilweise selbständiges Leben sind.
  5. Lebensbegleitung- und unterstützung

Frühförderung für autistische Kinder

Um die autistischen Beeinträchtigungen möglichst gering zu halten ist es wichtig so zeitig als möglich mit der Frühförderung zu beginnen. Da man davon ausgeht das die Entwicklung der Kinder erheblich von Umweltfaktoren und Anregungen abhängig ist. „Howlin weist drauf hin, daß die Kinder dann am stärksten von den Maßnahmen profitieren, wenn diese sehr früh beginnen (zwischen 2 und 4 Jahren), wenn sie intensiv genug sind (mindesten 15 Stunden pro Woche) und wenn die Dauer ausreichen ist (mindestens 2 Jahre)." (Remschmidt, 2000, S. 75)
Ausgehend vom Entwicklungsprofil des Kindes muß ein individueller Behandlungsplan erstellt werden. Sofern sich einzelnen Behandlungsmethoden durch ihre Grundprinzipien nicht ausschließen, ist es sinnvoll diese zur Behandlung der unterschiedlichen Defizite heranzuziehen. Die zu fördernden Einzelbereiche müssen durch gezieltes Vorgehen zu einem multimodalen Gesamtkonzept geordnet, sowie mit pädagogische und verhaltenstherapeutische Maßnahmen verknüpft werden. Der Behandlungsplan sollte je nach Symptomatik auch Krankengymnastik und logopädische Therapie umfassen. Wichtig ist realistisch Ziele in einer bestimmten Zeitperspektive zu stecken. In vielen Fällen sind durch Frühfördermaßnahmen sehr positive Ergebnisse zu verzeichnen, so werden bemerkenswerte Fortschritte in der sprachlichen Kommunikation und im Sozialverhalten erlangt, welche Voraussetzung für die Gesellschaftliche Integration sind. (Remschmidt, 2000, S.73)

8.2 Verhaltenstraining

Das Vorgehen nach lerntheoretischen und verhaltensorientierten Prinzipien hat sich als bewährte Behandlungsmethode bei Autisten durchgesetzt, da bei der Anwendung dieser verhaltenstherapeutischen Ansätzen große Erfolge zu verzeichnen sind. In diesem Zusammenhang sind die Namen Lovaas, welcher 1974 begann verhaltenstherapeutische Methoden bei autistischen Kindern anzuwenden und Schopler, welcher das TEACCH- Programm entwickelte, zu erwähnen.

"Das TEACCH- Programm beruht auf der Erkenntnis, daß gut strukturierte pädagogische Programme bei autistischen Kindern wirkungsvoll sind. Das Programm hat eine verhaltenstherapeutische Basis, trägt dem Entwicklungsniveau der Kinder Rechnung und hebt die Bedeutung des individuellen Lehrens und Lernens hervor, ebenso wie die Einbeziehung anderer Verhaltens- und kognitiven Zuggänge." (Remschmidt, 2000, S. 79)

Als Basis muss anhand einer umfangreichen Diagnostik des Verhaltens ein Therapieplan, der die Bereiche und Methoden zur Veränderung des Verhaltens definiert, erstellt werden. Wichtige Inhalte sind die Förderung der Selbständigkeit und der allgemeinen Kommunikationsfähigkeit mit dem Ziel das Sozialverhalten zu verbessern. Dies geschieht in dem störendes Verhalten (Stereotypen, Selbststimulationen) ab- und erwünschtes Verhalten (Kommunikation) aufgebaut wird. Die verhaltenstherapeutische Methode orientiert sich an den 3 lerntheoretischen Prinzipien: das klassische und operante Konditionieren, sowie das Modellernen. Man geht also davon aus, daß sich Verhalten durch allgemeine Gesetzmäßigkeiten voraussagen lassen. Das methodische Vorgehen der Verhaltenstherapie basiert auf dem Prinzip des operanten Konditionierens. Demnach wird ein Verhalten dem eine positive Konsequenz folgt verstärkt und tritt häufiger demnach auf. Verhalten dem eine negative Konsequenz folgt wird hingegen abgeschwächt. Während des Verhaltenstrainings wird nun mit Belohnung gearbeitet, also jedes erwünschte Verhalten, wie z.B. die Kontaktaufnahme zu einem anderen Kind wird positiv verstärkt und somit gefördert. Auf diese Weise lassen sich z.B. bei geistig behinderte Autisten Handlungen der Selbständigkeit (An- und Ausziehen, Zähneputzen, etc.), welche für das alltägliche Leben nötig sind, aufbauen. Das Lernen sollte in kleinen Schritten erfolgen und auch kleinste Fortschritte belohnt werden. Wichtig dabei ist immer die Bedürfnisse des Kindes zu beachten und diese in die Belohnung mit einzubeziehen. Verhaltensweisen werde immer denn verstärkt, wenn sie dem Zielverhalten am nächsten sind, ansonsten werden sie ignoriert und somit gelöscht. Bei (unerwünschtem) Verhalten, bei dem sich das Kind selbst schädigt, z.B. wenn es mit dem Kopf gegen die Wand schlägt, kann es sinnvoll sein Strafen, z.B. das Wegnehmen eines geliebten Spielzeugs, einzusetzen. Jedoch sollte die Anwendung von Strafe eine Ausnahme darstellen, da sonst das Ziel zwischenmenschliches Vertrauen aufzubauen unterbunden wird. Die anfänglichen Hilfestellungen sollten immer weiter zurückgenommen werden bis das autistische Kind selbständig in der Lage ist, die Situation zu bewältigen. Die autistischen Kinder und Jugendlichen dürfen jedoch nicht ihrem eigenen Entwicklungsgang überlassen werden, da sie sich sonst in ihren stereotypen Gewohnheiten verlieren und weniger aktivierbar sind. Sie müssen also konsequent an bestimmte Aufgaben herangeführt werden. Eine ausschlaggebende Rolle für den Erfolg jeder Therapie spielen die Eltern, welche stark in das Training eingebunden werden. Dies hat den Vorteil, daß wichtige Behandlungschritte zu Hause fortgesetzt werden und das Kind auch in seiner häuslichen Umgebung bestärkt wird, die erlernten Fertigkeiten auszuüben. Als Problem stellt sich immer wieder die Generalisierung dar, daß heißt daß das Gelernte nicht auf neue Situationen übertragen werden kann.

8.3 Körperbezogene Therapien

Die körperbezogene Therapieverfahren umfassen zahlreiche, auf unterschiedlichen Ansätzen beruhende Therapien, auch hier ist es das Ziel neue positive Verhaltensweisen hervorzurufen und das Sozialverhalten zu verbessern. Die Integrative Körpertherapie z.B. versteht sich als ganzheitlicher Ansatz, bei dem ausgehend vom Körper die Gesamtpersönlichkeit gefördert werden soll.

Durch Bewegungstherapie und sportliche Betätigungen lassen sich Aggressionen abbauen und problematische Verhaltensweisen reduzieren. Wahrnehmung und Bewegung sind sehr eng mit einander verknüpft, so dass sich die Erfahrungen in den verschiedenen Bereichen der Wahrnehmung mittels körperlicher Aktivitäten verbinden lassen.

8.3.1 Sensorische Integrationstherapie

Dieser funktionale Ansatz geht von der gestörten Wahrnehmungsverarbeitung aus. Das autistische Kind muß lernen, mit der Wahrnehmung seiner Umwelt, aber auch seines eigenen Körpers fertig zu werden. Die Wahrnehmung muss in kleinen Schritten geübt werden. Zweck dieser Therapie soll es sein, durch Verknüpfung der einzelnen Sinne eine bessere koordinierte Wahrnehmung des Selbst und der Umwelt zu erfahren, was wiederum Voraussetzung für eine verbesserte wechselseitige Anpassung ist. Das autistische Kind soll befähigt werden, Reize nicht zu isolieren, sondern situationsbezogen aufzunehmen und den Zusammenhang zwischen den verschiedenen Wahrnehmungsformen herzustellen. Da die Sinneseindrücke auf der einen Seite zu schwach (z.B. Druckempfinden) verarbeitet und auf der anderen Seite als (wie Körperkontakt) überempfindlich empfunden werden ist es die Aufgabe dieser Therapie die überfordernden Reize sparsam anzubieten und die anderen zu stimulieren. Einige Kinder öffnen sich durch diese körperwahrnehmungsorientierte Behandlungen der sensorischen Integrationstherapie.

8.3.2 Festhaltetherapie („Forced Holding“)

Die Festhaltetherapie wurde 1984 von der amerikanischen Kinderpsychiaterin Welch entwickelt. Dieser Halteansatz setzt sich über den Widerstand der autistischen Kinder gegen Körperkontakt und Nähe hinweg, wobei das Erleben des Blick- und Körperkontaktes von grundlegender Bedeutung ist. Ähnlich der Methode zur Behandlung von Ängsten („Flooding") soll das Kind durch diese reizüberflutende Vorgehensweise seine Angst vor Nähe überwinden und mittels dem Festhalten durch eine Bezugsperson das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit erleben. Heute findet die Festhaltetherapie bei Autisten keine Anwendung mehr.

Geschichtlicher Hintergrund der Festhaltetherapie

In 80ern ging man davon aus, daß eine gestörte Bindung zwischen Mutter und Kind Autismus verursacht. Die Mutter sei nicht imstande die Bedürfnisse des Kindes zu verstehen und normal zu befriedigen, so daß dem Kind das Urvertrauen fehlt. Auch N. und E. Tinbergen vertraten diese Auffassung, daß die Hauptursache des Autismus einen psychischen Ursprung hat und Wahrnehmungsstörungen sekundären Charakter haben. Sie förderten die von Welch entwickelter Therapie des erzwungenen Festhaltens weiter. Die Aufgabe einer Therapie sei es die gestörte Bindung zwischen Mutter und Kind wieder herzustellen, um dadurch den mißlungenen Prozeß der Vertrauensbildung und Sozialisierung nachzuholen (vgl. Remschmidt S. 80). Mit Hilfe des Festhaltens des Kindes durch die Mutter werden der Körperkontakt und die Nähe erzwungen ohne daß das Kind ausweichen kann. Wehrt sich das Kind gegen die Umarmung, so wird dies ignoriert, das „Halten", welches oftmals einem Kampf gleicht kann mehrere Stunden dauern und wird solange durchgeführt bis das Kind seinen Widerstand aufgibt. Da das Kind allmählich kraftlos wird muß es die Nähe und Liebkosungen zulassen. Die Mutter muss dabei das Kind fest an sich drücken und während der Prozedur den Blickkontakt aufrechterhalten und es trösten. Die Festhaltetherapie wird zunächst täglich später wöchentlich abgehalten. Durch das Brechen des kindlichen Widerstandes soll die Angst vor Nähe, und nach der damaligen Vorstellung somit auch der Autismus, bei dem Kind abgebaut werden. Der Erfolg dieser Methode ist bis heute nicht geklärt, auch wenn einige Fallstudien erfolgversprechend schienen. Jedoch steht die Methode Tinbergens des „gezwungenen Festhaltens" in der Kritik und erregte sehr viel Aufsehen, da einerseits Hoffnung auf Heilung oder Symptomminderung geweckt worden war. Andererseits aber widerstrebte es vielen Eltern ihre Kinder gewalttätig festzuhalten und ihnen so keinen Raum für eigenes Verhalten zu ermöglichen. Auch konnte man bei einigen Kindern die Zunahme aggressiver Gefühle und die Vergrößerung der Distanz zur Mutter beobachten. Durch zunehmendes Wissen über die biologischen Ursachen des Autismus verlor diese Therapie an Bedeutung.

8.3.3 Gestützte Kommunikation / Facilitated Communication

Bei der gestützten Kommunikation handelt es sich um eine nonverbale Kommunikationsmethode innerhalb der Methode der unterstützenden Kommunikation. Die Methode der "Facilitated Communication" (FC) ist als Erweiterung der kommunikativen Möglichkeiten besonders für Personen gedacht, welche nicht fähig sind sich sprachlich zu artikulieren oder aufgrund neuromotorischen Beeinträchtigungen Probleme haben sich zu äußern. Die Methode der gestützten Kommunikation ermöglicht demnach Menschen mit ausgeprägten Kommunikationsstörungen, die keine Möglichkeit haben andere Kommunikationshilfen zu nutzen, Kommunikation mit ihrer Umwelt aufzunehmen und eigene Gedanken mitzuteilen. Autisten sind auf grund ihrer beeinträchtigten Kommunikationsfähigkeit und ihrer gestörten Wahrnehmungsverarbeitung dieser Zielgruppe zuzurechnen. FC ist nicht als Therapie- oder Heilungsmethode zu betrachten, sondern als Methode und Weg zur Förderung und Erweiterung der bestehenden Kommunikationsmöglichkeiten zu verstehen. Die Sprachtherapeutin Schubert brachte diese Methode 1990 aus den USA nach Deutschland. Die Methode des FC kann unabhängig von Alter und Lesefähigkeit angewandt werden. Als Hilfsmittel dienen ein Computer, ein Symbolkatalog, eine Buchstabentafel oder diverse nicht-/elektronische Schreibhilfen. Ebenso ist ein Kommunikationspartner, ein sogenannter Stützer notwendig, welcher den Schreiber ...

  • physisch unterstützt - Diese körperliche Stütze dient dazu durch Berührungen die motorischen Bewegungs- und Handlungsbeeinträchtigungen des FC- Schreibers auszugleichen
  • psychisch unterstützt - ist nötig, um die Konzentration des Schreibers zu fördert, sowie seine Aufmerksamkeit aufrecht zu erhalten (z.B. vermeiden von ablenkenden Reizen) und ihn aufzufordern seine Kommunikation fortzusetzen (Motivation).
  • emotional unterstützt - Viele FC-Schreiber sind aufgrund bisheriger Kommunikations-erfahrungen gehemmt. Die Aufgabe des Helfers ist es unterstützend dazu beizutragen, das Selbstvertrauen auf- und Unsicherheiten und das Mißtrauen in die Umwelt abzubauen unterstützt.

Der Stützer muss sehr viel Geduld und Aufmerksamkeit aufbringen, da diese Methode sehr zeitaufwendig ist (z.B. können in einer Stunde nur ca. 150 Wörter übermittelt werden) und Unter-, sowie Überförderung dringlichst vermieden werden müssen. Auch ist ein Vertrauensverhältnis zwischen Stützer und Schreiber für den Erfolg entscheidend. Man nimmt an das mit Hilfe des Stützers neuromotorische Handlungsbeeinträchtigungen überwunden und funktionale Bewegungsmuster (gezielte Zeigebewegungen) entwickelt und trainiert werden können. Der Helfer berührt also den FC-Schreiber an der Hand, später am Arm oder an der Schulter und geht dem Impuls des Schreibers nach. Damit keine Manipulation der Kommunikation besteht darf die Stütze die Zeigebewegung des Schreiber auf keinen Fall führen oder bei der Auswahl der Buchstaben (oder Sprachzeichen, wie z.B. Symbolen, Bilder) helfen, er dient seinem Namen nach lediglich als Stütze. Der Schreiber betätigt selbstständig die Tastatur. Viele Autisten erhalten somit erstmals die Möglichkeit sich differenziert auszudrücken, ansonsten sind keine wesentlichen Veränderungen in der Symptomatik des Autismus zu erkennen. Ziel des FC stellt die selbständige Nutzung der Kommunikationsgeräte durch den FC-Schreiber oder die größtmögliche Unabhängigkeit vom Stützer dar. Der Helfer muß nun schrittweise und so früh als möglich (gemessen an der individuellen „Stützbedürfnisses" des Probanden), vor allem seine physische Stütze, aus dem Prozeß des Zeigens zurücknehmen, um eine Abhängigkeit und Beeinflussung durch den Stützer vorzubeugen. Durch das Minimieren der Stütze und das konsequente Üben der Zeigebewegung soll der Schreiber befähigt werden die Kommunikationshilfe selbständig und unabhängig einzusetzen. Häufig bedarf es jahrelangen Trainings bis sich der Stützer vollständig ausblenden kann. Das Ziel wird aber nicht in jedem Fall erreicht, da die Rücknahme der physischen Stütze den FC- Benutzer häufig verunsichert und ein Rückfall der Kommunikation zu verzeichnen ist. Um eine unabhängige und vielseitige Kommunikation, auch mit anderen Gesprächspartnern, zu ermöglichen ist es nötig, daß die Kommunikationshilfe in vielen Situationen einsetzbar, also transportable (z.B. Laptop) ist und die Funktion der Stütze auf weitere Personen im Umfeld übertragen wird.

8.3.3.1 Die (umstrittene) Wirksamkeit der gestützten Kommunikation

Bezüglich der Wirksamkeit dieser Vorgehensweise spalten sich die Meinungen. Eltern und Therapeuten sind in vielen Fällen von dem Erfolg der Methode der Facilitated Communication (FC) und dem damit verbundenen Fortschritte im Kommunikationsverhalten der Autisten überzeugt. Jedoch konnte man mittels der vorliegenden kontrollierten Untersuchungen mit dem angewandten Verfahren die Wirksamkeit des FC nicht nachweisen oder wissenschaftlich belegen. Die positive Wirkungsweise der gestützten Kommunikation lassen sich lediglich aus den zahlreichen Erfahrungsberichten schlußfolgern, denn nach Angaben der Praktizierenden (z.B. Birger Sellin, Dietmar Zöllner) hat diese Praktik wahre Wunder bewirkt. Vieler Eltern autistischer Kinder hoffen mit der Gestützten Kommunikation eine Methode gefunden zu haben, die es ihren Kindern ermöglicht ihre Gedanken, Wünsche und Ängste mitzuteilen. Jedoch trübt sich diese Hoffnung angesichts der kritischen Betrachtung in Bezug auf die Echtheit der mitgeteilten Botschaften. Ansatzpunkt der Kritiker stellt immer wieder die physische Stütze im Prozeß dieser Kommunikationsmethode dar. Es stellt sich die Frage, ob die mitgeteilten Botschaften Produkte des FC- Nutzer oder durch den Stützer beeinflußt sind. Durch die Körperberührungen beim Stützen gehen Impulse aus, die den Finger des Autisten lenken könnten. Die Gefahr der Manipulation ist demnach gegeben. Untersuchungen in den USA weisen auf einen maßgeblichen Einfluß durch die stützende Person hin. In einem experimentellen Test wurden den FC- Schreibern und den FC- Stützen unterschiedliche Fragen gestellt, die es mittels der gestützten Kommunikation zu beantworten galt. Das Ergebnis ergab, daß keiner der 10 Schreiber, seine Frage richtig beantwortete, sondern seine Antwort vielmehr an der Frage des Stützer orientiert war. Wieder andere Test ergaben allerdings das ca. 20% der FC- Schreiber die ihnen vorgezeigten Bilder unabhängig von ihrer Stütze richtig benannten. Wie groß also der wahre Einfluß der Stütze ist und wieviele Schreiber die Autoren ihrer Texte sind läßt sich bisher nicht beweisen und ermöglicht kein gültiges Urteil über die gestützte Kommunikation. Erst exakte empirische Forschungsergebnisse könnten Aufschluß über die Wirksamkeit dieser Methode geben. Grundsätzlich sollte man allerdings den Computer als Hilfsmittel zur Verbesserung der Kommunikation nicht ablehnen. FC kann autistischer Menschen helfen zu kommunizieren und erweitert damit die Möglichkeiten, am sozialen und gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Die teilweise poetisch anmutende Wortwahl einiger FC- Schreiber [3], läßt sich unter Umständen durch die Wortfindungsstörung der Autisten erklären. Die Medien tragen häufig, durch Überinterpretationen dieser „Gedichte" dazu bei, das die poetischen Fähigkeiten dieser Menschen überbewertet werden. Dies soll jedoch nicht ausschließen, daß mittels dieser Vorgehensweise ungeahnte Fähigkeiten der Autisten erkannt werden können [4]. Die Methode des FC macht aber aus keinen Menschen mit einer autistischen Störung ein Genie und ist genauso wenig als ein Wundermittel zu verstehen.

[3] An dieser Stelle ist Birger Sellin zu erwähnen. Sein 1993 erschienenes Buch „ich will kein Inmich mehr sein" beinhaltet zahlreiche poetische Texte.

[4] Dietmar Zöllner veröffentliche in den letzten Jahren 2 autobiographische Bücher („Wenn ich mit euch reden könnte..." und „Ich geb' nicht auf") und holte sein Abitur nach.

8.3.4 Gestütztes Malen

Gestütztes Malen

Es war lange unklar, wie man den autistischen Kindern Hilfestellungen geben könnte, um über ihre, im Laufe der Jahre gefestigten und stereotypen, Kritzeleien hinwegzukommen. Ansätze fand man dazu mit der Entwicklung der Methode der gestützten Kommunikation. Experimente mit Stützen im gestalterischen Bereich ergaben, das bei autistischen Menschen nicht nur der sprachliche, sondern auch der zeichnerische Ausdruck blockiert ist, bzw. seien kann. Durch diese neu entstandene Möglichkeit bietet man dem autistischen Kind eine Möglichkeit sich in anderer Weise, z.B. ohne Stereotypen zeichnerisch auszudrücken. Gestütztes Malen und Zeichnen in der Kunsttherapie ist vor allem für nichtsprechende Kinder und Jugendliche eine geeignete Methode um ihre Wünsche, Ängste, Unsicherheiten mitzuteilen. Die entstandenen Werke veranschaulichen häufig sehr deutlich die verborgenen Gedanken, sowie Gefühle und lassen häufig die Verhaltensweisen des Zeichners innerhalb des sozialen Gefüges erkennen. Das Malen kann also im Hinblick auf Bewußtwerden, Aufdecken von unbewußten oder bei der Problemverarbeitung Hilfe leisten, indem es eine Art von Wissen aufzeigt, das ohne das gestützte Malen nicht zugänglich wäre.

8.4 Beschäftigungstherapie und kreative Verfahren - Ergotherapie

Ergotherapie

Die Ergotherapie hat insbesondere bei der Herstellung eines tragfähigen Kontaktes eine wichtige Funktion. Über den kreativen Umgang mit verschiedenen Materialien (Holz, Ton, Papier) und gestalterischen Möglichkeiten (Malen, rhythmische Tätigkeiten) kann der Zugang zur Persönlichkeit des autistischen Kind gefunden werden, welcher als Grundstock für andere therapeutische Maßnahmen dienen kann. Ist eine gewisse Annäherung zu dem Kind gelungen, läßt sich diese über Gestaltungsaufgaben erweitern und immer mehr in soziale Kontakte einbauen.

8.4.1 Musiktherapie

"Unter Musiktherapie sind psychotherapeutische Behandlungsmethoden zu verstehen, die bezwecken, mit verschiedenen Elementen der Musik und Musikgattungen sowie unterschiedlichen Formen des Musikrezipierens und der Musikbetätigung einen therapeutischen Einfluß im Sinne einer Aktivierung, spannungsregulierenden Wirkung, kontaktfördernden Beeinflussung oder Steigerung der Erlebnisfähigkeit." (Schramm, 1992, S. 69).

Musik dient durch ihre spannungsregulierende Wirkung einerseits zur (Re)Aktivierung neuer Kräfte und fördert andererseits zwischenmenschliche Kontakte. Besonders bei mutistischen Autisten bietet dieser nonverbale Ansatz eine Vielzahl von Möglichkeiten in der therapeutischen Arbeit. Zahlreiche Autisten verfügen über ein gutes Gehör und musikalische Fähigkeiten und sind über das Medium Musik und Rhythmus in der Lage Gefühle auszudrücken, wodurch sie Kommunikation entwickelt. Der Therapeut begleitet z.B. musikalisch die Bewegung und die Stimmung des Kindes, so daß ein erregter Zustand z.B. durch einen Allegro unterlegt wird. Das Kind soll so über seine Stimmung erfahren und später lernen sich selbst mit Hilfe verschiedenster Instrumente auszudrücken. Auch mittels der Bewegungs- und Tanztherapie, welche häufig mit der Musiktherapie kombiniert angewendet wird, können innere Bilder, Assoziation, Gedanken und Gefühle der „Patienten" lebendig werden

8.5 Tiergestützte Therapie

Ein Kind, welches seine Umwelt nicht begreifen kann, hat kaum die Möglichkeit über Anfassen und Fühlen verwertbare Informationen zu erhalten. An dieser Stelle setzt die tiergestützte Therapie an, das autistische Kind soll über das Tier das Fühlen erfahren. So kann man dem Kind aus seine Abgeschlossenheit heraushelfen und mit ihm in Kontakt kommen. Das Tier bietet Halt, bemängelt nicht und zeigt keinen Erwartungsdruck. Die Förderungsbemühungen zielen nicht vordergründig auf Veränderung ab, sondern eher auf nichtsprachlicher Ebene Kontakt und Kommunikation herzustellen. Diese Methode ist bisher wissenschaftlich nicht belegt, kann aber im Einzelfall und im Rahmen eines sinnvollen Behandlungsplans hilfreich sein und als eine Art Zusatztherapie fungieren. In Florida wird vor allem mit Delphinen und im europäischen Raum mit Hunden und Pferden (Reitherapie) gearbeitet.

Am Beispiel der Delphintherapie möchte ich die tiergestützte Therapie vorstellen. Zu Beginn der Therapie gilt es das autistische Kind behutsam in Kontakt mit den Tieren zu bringen, in diesem Fall geschieht dies, indem das Kind am Beckenrand die Delphine beobachten und später berühren darf. Wichtig ist, daß das Kind sich entspannt. Ist die Angst überwunden, beginnt man mit der Therapie im Wasser. Die Kinder halten sich an den Flossen fest und werden von den Delphinen durchs Wasser gezogen oder sie liegen rücklings im Wasser, wobei die Delphine sie mit der Schnauze voran schieben. Nach individueller Belastbarkeit beträgt die Dauer der Therapie im Wasser circa 30 Minuten. Anschließende bekommt das Kind die Möglichkeit mittels kreativer Beschäftigung, z.B. Malen und Basteln zum Thema Delphine, seine Erlebnisse mit den Meerestieren zu verarbeiten. Meist ist nach der Behandlung eine positive Auswirkung zu spüren, denn vielen Kindern ist die Freude im Umgang mit den Delphinen anzusehen. Die Eltern beschreiben häufig, daß ihre Kinder während der Therapie ausgesprochen fröhlich waren und sich der Kontakt zur Umgebung deutlich gebessert hat. Es schien als sei ein Teil ihrer autistischen Blockade gelöst. Jedoch werden viele Kinder nach einiger Zeit wieder ruhiger und weitere Behandlungen wären nötig um dauerhaften Erfolg zu erzielen. Jedoch scheitert dies meist an finanziellen Mitteln, da die Krankenkasse die Kosten dieser Therapie nicht übernimmt.

8.6 Medikamentöse Therapie

Ursächliche medikamentöse Behandlung des Autismus gibt es nicht, man kann nur bestimmte Verhaltensweisen beeinflussen und einige der autistischen Symptome in eine positive Richtung lenken. Medikamente können andere therapeutische Maßnahmen nicht ersetzten, sind allerdings häufig nötig um Patienten für pädagogische und psychische Maßnahmen zugänglich zu machen und sollten daher in den Gesamtbehandlungsplan integriert werden. Die Pharmakotherapie hat sich besonders bei Autisten mit ausgeprägten hyperkinetischen (übermäßige Bewegungsaktivität, dauernde Schlafprobleme), aggressiven und selbstverletzenden Verhaltensweisen, die durch andere Maßnahmen nicht zu beseitigen sind, als notwendig erwiesen. Verschiede Medikamente werden eingesetzt, z.B. Präparate, die ebenso bei der Therapie Schizophrener angewendet werden. Mittels Medikamenten, welche den Serotinspiegel senken, erreicht man bei einigen Autisten die Verbesserung geistiger Fähigkeiten und des Verhalten. Nebenwirkungen äußern sich durch vermehrt Unruhe und Schlaflosigkeit. Der Autismusforscher Rimland vertritt die Ansicht, daß Vitamin B6 günstige Auswirkung auf den Stoffwechsel der autistischen Kinder und Jugendliche haben kann und vom Anfallsleiden befreit. Untersuchungen ergaben dass das Vitamin B6 tatsächlich in Einzelfällen zur Minderung von Unruhe und Erregungzuständen betragen kann. Eine Megavitamintherapie, bei der ca. das Tausendfache des üblichen Tagesbedarfes verabreicht wird ist jedoch gesundheitsschädlich.

9 Schulische Integration von autistischen Kindern

Bis in die 80er Jahre gab es ausschließlich die Möglichkeit autistische Kinder in Schulen für Geistigbehinderte einzuschulen. Heute sind Autisten in allen Schulformen zu finden, da ihre Begabungen sehr unterschiedlich sind. Jedoch stellt es sich als schwierig heraus die wirklichen Fähigkeiten von Autisten einzuschätzen und die geeignete Schule zu finden. Es werden heute verschiedene Wege gegangen, die von Unterricht in kleinen Gruppen oder Spezialklassen in Sonderschulen, bis zur Einzelintegration der Autisten in Grund, -Haupt- und Realschule. Bisher gibt es keinen direkten Ansatz zur schulischen Förderung autistischer Kinder, meist beruft man sich auf die von Montessori entwickelten Unterrichtskonzepte mit behinderten Kindern oder auf Methoden, welche bei Kindern mit Lernschwierigkeiten angewandt werden. Viele Experten halten die Integration der autistischen Kinder in eine normale Klasse für wichtig. Durch eine angemessene schulische Förderung und Integration gibt man dem Kind die Chance soziale Anregungen und Entwicklungsanreize durch das gemeinsame Lernen mit nicht behinderten Kindern zu erhalten und ihre teilweise guten intellektuellen Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Jedoch treten durch die autistischen Verhaltensweisen eine Reihe von Schwierigkeiten auf, die dieser Integration und Förderung Grenzen setzten. Aufgrund der Wahrnehmungs- und Sprachstörung ist das individuelle, kommunikative und soziale Lernen erheblich erschwert, so daß sich das Lernverhalten dieser Kinder erheblich einschränkt und sie das breitgefächerte Angebot der Schule nicht im erwarteten Maße annehmen können. Auch sind die autistischen Kinder aufgrund ihrer Beziehungstörung und ihrer autistischen Verhaltensweisen oft nicht gruppenfähig. So haben Autisten überall da Probleme, wo sie sich in eine Gruppe mit sozialen Regeln einordnen müssen und bestimmte Leistungen von ihnen verlangt werden. Um autistische Kinder in Schulen zu integrieren ist es daher notwendig das Gemeinschafts- und Sozialverhalten der Kinder zu fördern. Dies verdeutlicht die Schwierigkeit Autisten in das Schulsystem einzugliedern. Die schulische Integration autistischer Kinder setzt eine im hohen Maße flexible Schule vor raus. (vgl. Rupprecht, 1982, S.24) Da alle autistischen Kinder zusätzliche Hilfe und Zuwendung durch den Pädagogen benötigen. Doch auch das Verständnis und die Ausdauer der anderen Kinder ist entscheidend, da Autisten oft sehr viel Zeit benötigen, bis sie sich in einer neuen Gemeinschaft zumindest einigermaßen zurechtfinden und Kontakt zu ihren Mitschülern herstellen können.

9.1 Eingliederung von autistischen Kindern in eine integrative Schule

Der erste Schritt zur Eingliederung eines Kindes in eine integrative Schule, erfordert ein umfangreiches Gespräch mit den Eltern, um die Vorgeschichte und die besonderen autistischen Verhaltensmerkmale zu erfassen. Anschließend wird der individuelle Entwicklungsstand des Kindes durch Beobachtungen und spielerische Test überprüft. Anschließend sollten erste Ziele festgelegt werden, wobei es besonders in der Anfangszeit nicht ausschließlich schulische Ergebnisse im Fordergrund stehen sollten. Anhand der autismusspezifische Problematik des Kindes (seinen Stärken und Schwächen) ist es häufig ist erst nötig, durch den Abbau negative Verhaltensweisen und die Förderung des Selbstvertrauen und des Sozialverhalten, die Bedingungen die ein erfolgreiches Lernen bedarf, zu schaffen. Das zukunftsorientierte Ziel ist dann die Wissensvermittlung und das Lernen in der Gruppe.

In den ersten Tagen bekommt das Kind Zeit sich an die neue Umgebung zu gewöhnen, indem es den Unterricht unbeteiligt beobachten kann und schrittweise in das Geschehen integriert wird. Diese Eingewöhnungszeit stellt sich jedoch häufig als schwierigste Phase dar und kann für alle Beteiligten sehr entmutigend sein. Häufig sind viele Wochen nötig bis ein einigermaßen guter Kontakt zwischen Lehrer und Schüler besteht. Eine ständige Kontakt- und Bezugsperson und das Einbeziehen der Eltern in das schulische Geschehen sind für das Sicherheitsgefühl und somit der Lernbereitschaft der Autisten sehr entscheidend. Denn erst wenn sich das Kind in seiner neuen Umgebung wohl fühlen und das Interesse an dieser geweckt ist, läßt sich erfolgreich mit dem Kind arbeiten. Wichtig ist, dem Kind je nach Auffassungsgabe zu erklären warum es die nächste Zeit in die Schule gehen wird und ihm durch einen geregelten Ablauf das Gefühl von Sicherheit zu vermitteln.
Es ist nach individuellen Maßstäben zu entscheiden ob zu Beginn der Schulzeit eine Einzelbetreuung notwendig ist. Dies hat sich z.B. bei sehr ängstlichen Kindern, die schwer an neue Situation zu gewöhnen sind und zur Bewältigung individueller Lernprobleme als Vorteil herausgestellt. Jedoch sollte sich dies im Laufe der ersten Wochen ändern und der Unterricht auf eine Kleingruppe (2-4 Kinder) erweitert werden. Ob man das jeweilige Kind später mit dieser Kleingruppe in eine Klasse eingliedern kann ist fallabhängig. Über gemeinsame Spiele, Feste, Ausflüge kann man private Kontakte (Freundschaft) zwischen den Autisten und den Mitschülern fördern und somit helfen zwischenmenschliche Kontakte aufzubauen. Durch eine flexible Unterrichtsgestaltung muß ausgehend von der momentanen Handlungsfähigkeit des Kindes ein differenzierter Lernplan, mit kleinen Lernschritten erstellt werden. Das Unterrichtsgeschehen muß den individuellen Schwierigkeiten des Autisten angepaßt sein. Sämtliche Aufforderungen müssen klar und eindeutig strukturiert sein und jegliche Ablenkung vom Unterricht vermieden werden. Es ist entscheidend die Signale und Interessen des Kindes zu beachten.

Die Belastbarkeit und Konzentration der autistischen Schüler ist wesentlich geringer als bei anderen Kindern. Aufgrund dieser Konzentrationsschwierigkeiten müssen in regelmäßigen Abständen Pausen und feste Ruhephasen eingelegt werden, um dem Autisten Rückzugsmöglichkeit und Erholung zu bieten.

Der Lehrplan sollte an Gegenstände und Dinge die das Kind bevorzugt anknüpfen. Autisten müssen sehr behutsam und langsam an eine Sache herangeführt und ständig zum Lernen aktiviert werden, da sie während selbständiger Beschäftigungen zu schnell in ihre stereotypen Verhaltensweisen verfallen. Zu Motivationszwecken ist Lob sehr wichtig, um durch diese positive Verstärkung die Lust am Lernen aufrecht zu erhalten. Andererseits sollten die Autisten wie jedes andere Kind, wenn angebracht, auch getadelt werden. Falsche Rücksichtnahme kann negative Auswirkungen haben, da sich das Kind so seiner Sonderstellung bewußt wird. Wie erfolgreich die schulische Integration autistischer Kinder ist, läßt sich schwer einschätzen Der Unterricht in Kleingruppen stellt sich erfahrungsgemäß, sofern die Situation in der Gruppe stabil bleibt und sich nicht verändert, als sehr vorteilhaft heraus. Oftmals sind erstaunliche Fortschritte zu beobachten, die innerhalb großer Klassen, aufgrund der Wahrnehmungsstörung der Autisten, nicht erreicht werden könnten.

Quellen- und Literaturverzeichnis

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