Begriffserläuterung Normalisierungsprinzip
In den 1950er Jahren wurde das Normalisierungsprinzip als zentraler Grundsatz im Umgang mit erwachsenen Menschen mit geistiger Behinderung entwickelt. Zunächst formulierte der Däne Bank-Mikkelsen den Begriff Normalisierung. Der Schwede Bengt Nirje arbeitete das Normalisierungsprinzip aus und strebte durch konkrete Zielsetzungen die Umsetzung in die Praxis an. In den 70er Jahren wurde es in den USA und Kanada insbesondere von dem Behindertenpädagogen und -psychologen Wolf Wolfensberger zu einer komplexen wissenschaftlichen Theorie weiterentwickelt. In Deutschland hat später Walter Thimm für die Umsetzung des Normalisierungsprinzips in der Behindertenhilfe beigetragen. (vgl. Mühl 2000: 76)
Ein Grundprinzip der Normalisierungstheorie ist das Gleichheitsprinzip, d. h. dass alle Menschen, seien sie behindert oder nicht, gleich sind und somit auch die gleichen Rechte haben. "Normalisierung hat (..) konsequent an den alltäglichen Lebensbedingungen beeinträchtigter Menschen anzusetzen (alltagsorientiert) und dabei die größtmögliche Beteiligung der Betroffenen sicherzustellen (Partizipation). Dazu ist eine Dezentralisierung (Regionalisierung, Kommunalisierung) der Hilfe notwendig." (Thimm 1994: 2). Nach dem Schweden Bengt Nirje (1994) beinhaltet ein normales Leben folgende Punkte. Ein normaler Tagesrhythmus, die Trennung von Arbeit-Freizeit-Wohnen, ein normaler Jahresrhythmus, normale Erfahrungen im Ablauf des Lebenszyklus, normalen Respekt vor dem Individuum und dessen Recht auf Selbstbestimmung, normale sexuelle Lebensmuster ihrer Kultur, normale ökonomische Lebensmuster und Rechte im Rahmen gesellschaftlicher Gegebenheiten, normale Umweltmuster und –standards innerhalb der Gemeinschaft (vgl. Thimm 1994: 19 ff). Das Normalisierungsprinzip beinhaltet die Normalisierung der alltäglichen Lebensbedingungen von Menschen mit geistiger Behinderung, d. b. jeder Mensch mit Behinderung soll an allen gesellschaftlichen Gütern, einschließlich der Weiterbildungsangebote partizipieren können.
Die Adressaten des Normalisierungsprinzips im Sinne eines Dreistufensystems sind nach Wolf Wolfensberger: die einzelne Person mit geistiger Behinderung (Mikrosystem), die Institutionen (Mesosystem) und die Gesellschaft (Makrosystem). Er unterteilt diese Adressatenkreise noch in die Handlungs-dimensionen Interaktion und Interpretation. Daraus wird deutlich, dass sich die Normalisierung nicht nur auf die Handlungen bezieht, sondern auch auf die Art und Weise, in der Menschen mit geistiger Behinderung "nach außen" dargestellt werden, d. b. wie sie der Umwelt symbolisch repräsentiert werden. Mit der Handlungsdimension der Interpretation auf den drei Systemstufen wird auf die immer noch geistig verankerten Vor- und Werturteile in der Gesellschaft aufmerksam. Wolf Wolfensberger stellt Normalisierung ausdrücklich in das Spannungsfeld gesellschaftlicher Erwartungen und individueller Erscheinungsweisen. Normalisierung vollzieht sich durch physische und soziale Integration des Individuums. Durch die Integration werden Veränderungen auf beiden Seiten möglich, die Beziehung zwischen Individualisierung und Gesellschaft sind normalisiert. (vgl. Thimm 1994: 27 ff)
- Details
- Erstellt am 01.02.2007
- Geschrieben von Alexandra May