Heilpädagogik Kinderlieder

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Wie sieht eine psychomotorische Stunde aus?

Wie sieht eine psychomotorische Stunde aus? 15 Okt 2010 15:16 #1

  • Anonymous
Hallo zusammen,

sowohl fachlich als auch in diesem Forum bin ich neu.

Seit einiger Zeit beschäftige ich mich intensiver mit Psychomotorik im Rahmen der Heilpädagogik.

Mir sind für die Durchführung einer Stunde zwei Ansätze bekannt:

1) Es wird den Kindern nichts vorgegeben. Die einzige Vorgabe ist, dass die Kinder in die Materialkammer gehen, sich Materialien holen und dann spielen.
2) Es wird meist eine Landschaft im Rahmen eines Mottos oder ähnliches aufgebaut mit verschiedenen Bewegungsstellen. Zusammen mit der Geschichte/des Mottos spielen die Kinder an der Bewegungsstelle, entwickeln diese weiter etc.

Position 1 behauptet, dass man den Kindern keine Vorgaben machen darf, da sich das Spiel einzig aus deren eigenen Gedanken und dem eigenen Willen entwickeln muss.

Position 2 behauptet, dass nach dem Verfahren von Position 1 die Praxis zeigt, dass manche Kinder stets das Gleiche spielen und evtl. Defizite somit nicht über die Bewegung positiv entwickelt werden können.

Gibt es eine Wahrheit?
Oder liegt diese Wahrheit dazwischen?

Das Thema beschäftigt mich sehr, daher bin ich für viele Beiträge sehr dankbar,

Gruß
--
Blumenschein

Wie sieht eine psychomotorische Stunde aus? 15 Okt 2010 16:44 #2

  • Diana
Hallo Blumenschein,
also ich werde mal versuchen deine Frage zu beantworten:

In der Psychomotorik werden drei verschiedene Ansätze unterschieden, nicht nur zwei ;)

1. Sensorische Integration

2. Kindzentrierter Ansatz

3. Verstehende Psychomotorik


1. Sensorische Integration
Am besten du liest dir über die sensorische Integration folgende Hausarbeit erst einmal durch: http://www.heilpaedagogik-info.de/fachwissen/heilpaedagogische-entwicklungsfoerderung/716-sensorische-integration.html
Es geht in der sensorischen Psychomotorik darum, gezielte Übungen und Bewegungen einzusetzen, um motorische Defizite und Probleme der sensorischen Integration zu verbessern. Sie setzt an den Basisfähigkeiten des Kindes an und hilft dem Kind, die Umwelt mit seinen Sinnen zu erfassen. Also das sind alles Bewegungen wie drehen, robben, kriechen, rollen u.s.w.
Hier fehlt leider der Ansatz des spielerischen Charakters. Die Kinder sind hier nicht agierend, sondern der Heilpädagoge gibt die Übungen vor. Darüber wird auch viel diskutiert:
Immer wieder wird darüber diskutiert, ob die Sensorische Integration überhaupt der Psychomotorik zugerechnet werden sollte... Auch fehlt diesem Ansatz der aktive spielerische Charakter. Die Kinder werden nicht als agierende, sondern als reagierende Wesen betrachtet.
http://www.psychomotorikundspiele.de/Psychomotorik/Theoretische-Ansatze.html


2.Der kindzentrierte Ansatz von Renate Zimmer
Ich hatte in meiner Ausbildung nur nach ihr gearbeitet.

In der Eingangsphase werden die Kinder begrüßt.
In der extensive Phase können sich die Kinder frei bewegen und gezielte Bewegungsmuster erproben.
In der intensiven Phase beschäftigen sich die Kinder mit ihrem Thema ( Bewegungsbaustelle oder das Bereitstellen von unterschiedlichen Materialien, z.B. Sandsäcken, Rollbrett, Kletterwand, Wasser u.s.w.
In der Entspannungs- und Ausklangphase werden den Kindern Raum gegeben, um wieder zur Ruhe zu kommen.
In der Abschlussphase werden den Kindern Feedbacks gegeben, dies beinhaltet die Meinung der Kinder zum Verlauf der Stunde, als auch die Eindrücke der Heilpädagogin.

Beim klientenzentrierten Ansatz arbeiten die Heilpädagogen an den Stärken des Kindes, nicht an den Schwächen. Somit bekommt das Kind mit der Zeit spielerische Erfolgserlebnisse und arbeiten ganz unbewusst an ihren Defiziten.

3.Der verstehende Ansatz
Das Ziel ist es, die Themen der Kindes verstehend zu deuten und ihnen daraufhin Angebote zu machen.
Die Aufgabe des Heilpädagogen sind:
eine entspannte, positiv-angenehme Atmosphäre zu schaffen, er bietet Sicherheit, indem er Strukturen schafft, steht als Spielpartner zur Verfügung und unterbreitet Vorschläge, die zur Thematik des Kindes passen.
Die Verbesserung der Motorik wird in dem verstehenden Ansatz nicht direkt angestrebt, ereignet sich trotzdem nebenbei, indem bei dem Kind größere Bewegungsfreude ausgelöst wird.

So, nach welchen Ansätzen möchtest du nun arbeiten??? ;)

Wie sieht eine psychomotorische Stunde aus? 15 Okt 2010 22:20 #3

  • Anonymous
Diana schrieb:
So, nach welchen Ansätzen möchtest du nun arbeiten??? ;)

Hallo Diana,

vielen Dank für Deine Antwort.
Ich denke ich tendiere zum kindzentrierten Ansatz.
Bei uns gibt sich dadurch nur Probleme.

Ich erlaube mir mal eine Interpretation Deiner Ausführungen.

Zuerst begrüßt die Gruppe sich, vielleicht mit einem Spiel oder einem Lied oder Tanz... (Begrüßung)
Dann bekommen die Kinder Zeit sich in dem vorgegeben Raum, in diesem Fall eine sehr kleine Turnhalle, frei zu bewegen und frei zu spielen ohne Vorgaben von Materialien oder Abläufen. (extensive Phase)
Dann kommt eine von mir geplante Bewegungsbaustelle verbunden mit einer Thematik, z.B. Autorennen inkl. Werkstatt, Waschanlage etc. (intensive Phase)
Danach kommt eine Entspannung in Form von Ruhespielen, Massagen etc. (Entspannungs- und Ausklangsphase)
Abschließend wird die Stunde in der Gruppe reflektiert und auf Stärken hingewiesen.

Die Bewegungsbaustellen für die intensive Phase sind oft recht aufwendig und platzraubend, sprich es bleibt nur noch wenig Fläche für die extensive Phase.
Mein Zeitrahmen ist sehr begrenzt, sprich für eine Phase bleibt nur sehr wenig Zeit, so dass ein intensives Spiel sich nur schwer entfalten kann.

Letztlich frage ich mich noch, inwiefern ich die drei Ansätze entsprechend unterschiedlich anwenden kann, sprich ich stelle mir vor, dass jeder Ansatz seine Vor- und Nachteile hat und insgesamt eine Daseinsberechtigung. Ich glaube ich würde einen falschen Weg einschlagen, wenn ich nur einen Ansatz wähle.

Vielen Dank für weitere Einschätzungen.

Gruß
--
Blumenschein

Wie sieht eine psychomotorische Stunde aus? 16 Okt 2010 14:47 #4

  • Diana
Hallo Blumenschein (ich kenn ja deinen richtigen Namen leider nicht ;) )
Also so wie du es beschrieben hast, mache ich es auch in der Praxis. Mit dem gleichen Problem: Die Zeitproblematik und ich habe wenig Platz in meinen "Turnraum".
Die Bewegungsbaustellen baue ich zusammen mit den Kindern auf, d.h. die größeren Kinder dürfen schon mal die Matten holen, Bälle, Fahrzeuge u.s.w.
Wenn die Baustelle lange Zeit mit aufbauen braucht, dann baue ich sie schon vorher auf. Die Erwärmungsphase findet dann im Gruppenraum statt (auf meinen Bauteppich habe ich Platz oder ich stelle die Tische und Stühle kurz zur Seite.) Das muss man dann eben improvisieren. Leider :?

Zu den 3 verschiedenen Ansätzen:
Es kommt es immer noch auf dein Klientel an. Überwiegen motorische Auffälligkeiten oder emotionale Verhaltensauffälligkeiten? Das ist doch entscheidend für die Auswahl der Ansätze. Ich würde an deiner Stelle alle 3 Ansätze ausprobieren.

Bei Kindern erheblichen fein-und grobmotorischen Defiziten würde ich schon eher nach der sensorischen Integration arbeiten.
Ansonsten würde ich nach dem klientenzentrierten Ansatz arbeiten, dies ist für Gruppenübungen gut geeignet.
Bei Kleingruppen würde ich an deiner Stelle den verstehenden Ansatz mal ausprobieren. Dieser Ansatz ist für mich auch neu, klingt aber sehr interessant.

Ich hoffe, ich konnte dir weiterhelfen!

Wie sieht eine psychomotorische Stunde aus? 16 Okt 2010 21:04 #5

  • Anonymous
Diana schrieb:

Ich hoffe, ich konnte dir weiterhelfen!

Ja, das konntest Du! ;) Vielen Dank,

Gruß
--
Martin

Wie sieht eine psychomotorische Stunde aus? 16 Okt 2010 22:52 #6

  • Diana
Ahaaa, ich dachte eher, ich hätte es hier mit einer Frau zu tun ;-)
Also ich würde mich sehr freuen, wenn du mir mal in Zukunft schreibst, wie deine Psychomotorikstunden verlaufen. Du bist gerne auch eingeladen, einen Beispiel-Eintrag für eine Psychomotorikstunde zu schreiben!

Ich wünsche dir einen schönen Abend. Viele Grüße aus Leipzig
Diana

Wie sieht eine psychomotorische Stunde aus? 18 Okt 2010 15:17 #7

  • Anonymous
Hallo Zusammen,

es gibt sogar noch mehr Ansätze. Hierzu empfehle ich das Buch:

H. Köckenberger / R. Hammer: Psychomotorik - Ansätzte und Arbeitsfelder.

und für die vielfältigen methodischen Vorgehensvariationen in der Praxis das Buch:

H. Köckenberger: Vielfalt als Methode.

Um noch mehr über die Psychomotorik zu erfahren empfehle ich die Berufsqualifikations-Weiterbildung zur Fachkraft Psychomotorik bei der Deutschen Akademie für Psychomotorik: www.dakp.de

Viele Grüße aus Marburg,

Thorsten