Diagnostik mit Pfiffigunde
"Diagnostik mit Pfiffigunde" ist ein Beobachtungsverfahren, das Kinder auf spielerische Art zum Zeigen ihrer Leistungen ermuntern möchte. Es richtet sich u.a. an Grundschullehrer, Erzieher, Heilpädagogen und Beratungseinrichtungen, die bei Kindern von 5 bis 8 Jahren z. B. wissen wollen, wie weit diese Kinder u.a. in den Bereichen Händigkeit, Schreibmotorik, visuelle Wahrnehmung entwickelt sind.
Dieser Artikel bezieht sich auf das Buch "Diagnostik mit Pfiffigunde: Ein kindgemäßes Verfahren zur Beobachtung von Wahrnehmung und Motorik (5-8 Jahre)" von Barbara Cardenas. (Dieses Buch bei www.amazon.de.)
Entstehung des Verfahrens
Auf der Suche nach einer "kindgemäßen" Diagnostik für Kinder mit minimaler cerebraler Dysfunktion (gravierenden Teilleistungsstörungen, motorischen Koordinationsstörungen, sensorischen Integrationsstörungen, hirnfunktionsgestörte Kinder, integrationsgestörte Kinder) entstand gegen Anfang der 90er Jahre die Idee zur "Diagnostik mit Pfiffigunde".
Zunehmend mehr Regelschulen sahen sich nicht mehr in der Lage, Kinder mit MCD angemessen zu fördern. Um das Problem kurz zu beschreiben: Kinder mit MCD sind nicht körperbehindert, aber körperlich stark beeinträchtigt. Die Schule für Körperbehinderte wurde mit einer großer Anzahl von leicht behinderten, aber oft maximal beeinträchtigten Kindern konfrontiert. Man bemühte sich, ein Gesamtkonzept für die Differentialdiagnostik und schulische Förderung, sowie begleitende krankengymnastische und ergotherapeutische Betreuung zu erstellen.
Inzwischen liegt ein Screening-Verfahrens (Sichtungsmethode) vor, das in 31 Beobachtungssituationen Informationen über den Stand von Fein- und Grobmotorik, Perzeption, Lateralität, Köperschema und Gedächtnis sammelt.
Adressatenkreis
Die "Diagnostik mit Pfiffigunde" richtet sich besonders an diejenigen, die eine "andere" Diagnostik suchen.
Kinder mit MCD verweigern oft Prüfungen, bei denen Schwächen im Mittelpunkt stehen oder brechen diese bei Nichtgelingen wegen geringer Frustrationstoleranz ab. Das Verfahren ist besonders geeignet, Informationen zur Einschulung und Schulreife zu geben als auch bei Lern- und Verhaltensproblemen Hypothesen für Ursachen zu bilden.
Ziele des Beobachtungsverfahrens
Vielfältigkeit von Informationen
Das Verfahren stellt gezielte Beobachtungssituationen her, in denen von einem bestimmten Verhalten auf eine bestimmte zugrundeliegende Störung geschlossen werden kann
Ansetzen an der kindlichen Vorstellung
Alle Aufgaben stehen in einem sinnhaften Zusammenhang und somit in Verbindung zur kindlichen Phantasie.
Vermeidung von Leistungsdruck
Dieses Verfahren soll eine Ergänzung zu standardisierten Tests sein, da deren Nachteile im motivationalen Bereich liegen (Testsituation ist unnatürlich, schafft keine Eigenmotivation). Aufgrund fremdmotivierter Leistungsorientierung ist Stress kaum vermeidbar. MCD Kinder sind diesbezüglich besonders anfällig. Das Ergebnis sind testunwillige Kinder und fragwürdige Ergebnisse. In der "Diagnostik mit Pfiffigunde" erfolgt in der zu beobachtenden Situation noch keine Bewertung. Diese ergibt sich erst bei der Beurteilung der Videoszenen. Eine Zeitbeschränkung ist nicht vorgesehen. Bei Nichtgelingen einer Aufgabe ist Hilfestellung durch andere Mitspielende, Tiere oder die Fee möglich. Dieser Test wird als Gruppenprüfung empfohlen. Das Misserfolgserleben wird dadurch gering gehalten.
Realistisches Abbild der Leistungsfähigkeit
Das Verfahren soll strukturierte Beobachtung von Einzelleistungen ermöglichen. Und damit die Beobachtung in natürlichen Situationen ergänzen. Um die aktuelle Leistungsfähigkeit festzustellen, ist Motivation erforderlich. Das Beobachtungsverfahren soll begründete Hinweise auf bestimmte Auffälligkeiten geben, die dann gezielt von Ärzten oder Therapeuten angegangen werden können.
Ergebnis = eine inhaltliche, handlungsleitende Aussage
Das Ziel des Tests ist kein arithmetischer Durchschnittswert, sondern die Erstellung eines individuellen Profils von Fähigkeiten und Beeinträchtigungen.
Die Bewertungsskala ist bewusst nicht sehr differenziert:
0 = unauffällig, im Bereich der Norm, daher ist keine besondere Förderung notwendig
1 = zweifelhaft, sollte sorgfältig beobachtete werden, Förderung sinnvoll
2 = auffällig, daher werden weitere diagnostische Abklärungen empfohlen, gezielte Förderung ist notwendig, evt. sollte auch therapeutische Hilfe in Anspruch genommen werden
Hinweise auf Hirnfunktionsstörungen - häufige Ursache für Bewegungs- und Wahrnehmungsstörungen
Die "minimale Cerebralparese" ist die am leichtesten feststellbare und objektivierbare Störung innerhalb der Hirnfunktionsstörungen. Daher ist sie in diesem Screening-Verfaren für den Nachweis einer organischen Beteiligung an den perzeptiven und motorischen Auffälligkeiten von großer Bedeutung. Hierzu werden Auffälligkeiten der Muskelspannung, das Vorliegen von Seitenbetonungen, von nicht-integrierten Reaktionen, und von assoziierten tonischen Reaktionen überprüft. Das Einordnung von Wahrnehmungsstörungen, Störungen der Praxie und Lateralitätsentwicklung, Gedächtnis-und Körperschemastörungen kann vor diesem Hintergrund vorgenommen werden.
Beobachtbare Leistungsbereiche und deren Gewichtung
Zu folgenden Leistungsbereichen sind Beobachtungen möglich:
- 29 unterschiedliche grobmotorische Leistungen
- 16 feinmotorische Leistungen von Auge, Hand, Fuß, Mund
- 9 Situationen zur Beobachtung des Standes der Bilateralitätsdominanz
- 17 mal Überprüfung der Leistungs-und Präferenzdominanz von Hand, Auge, Ohr, Bein, Fuß
- 11 Situationen geben den Stand der visuellen, auditiven, taktilen, vestibulären Wahrnehmung wieder
- 5 Situationen für unterschiedliche Gedächtnisleistungen
- 2 Überprüfungen des Körperschemas
Begründung der Häufigkeitsverteilung
Ein Schwerpunkt des Beobachtungsverfahrens liegt in der Überprüfung, ob bei einer auffälligen Grobmotorik eine MCD vorliegt. Darum wird der grobmotorische Bereich am umfassendsten untersucht (Tonusanomalien, nicht-integrierte-Reaktionen, assoziierte tonische Reaktionen, Seitendifferenzen, Gleichgewichtsreaktionen).
Märchenlogik
Wie oben schon erwähnt, stehen alle Aufgaben in einem sinnhaften Zusammenhang und somit in Verbindung zur kindlichen Phantasie. Die gewählte Form des Märchens soll gerade für Kinder mit MCD eine motivierende Form des Tests ohne Leistungsdruck darstellen.
In der Anwärmphase sollen die Kinder sich gegenseitig sowie den Testleiter und den Kameramann kennenlernen. Jedes Kind darf kurz die Kamera führen und die anderen aufnehmen. Sobald das Märchen beginnt, nimmt die Kamera auf.
Hinweise zur Durchführung
Vorteile einer filmischen Aufzeichnung, Alternative: Es gibt zwei Möglichkeiten, das Screening-Verfahren durchzuführen. Beide Varianten benötigen zwei Personen. Eine Person spielt die Puppen und leitet so das Spiel und die zweite Person bedient die Kamera oder beurteilt während der Durchführung. Die Beobachtung ohne Kamera ist eher als nachrangige Lösung zu sehen.
Der Märchencharakter leidet unter der gleichzeitigen Protokollierung. Die Kinder verstehen eine sofortige Beurteilung als Ziel des ganzen Geschehens.
Zwischen den Beobachtenden ist ein Austausch nur bedingt möglich. Auffälligkeiten können häufig unterschiedlich bewertet werden. Der erster Eindruck ist nicht mehr überprüfbar und korrigierbar. Desweiteren bietet sich keine Möglichkeit, außenstehenden Personen zu zeigen, wie die Aufgaben gelöst wurden.
Auf der anderen Seite muss festgehalten werden, dass nicht allen Einrichtungen eine Kamera zur Verfügung steht. Auch der Kameramann braucht Übung und Sicht für das Geforderte, um dieses tatsächlich gut sichtbar festzuhalten.
Festzustellen ist außerdem, dass die Durchführung ohne Kamera kostengünstiger und weniger aufwendig ist.
Möglichkeit einer Teilung des Beobachtungsverfahrens: Da das gesamtes Märchen bei gleichzeitiger Testung von 3 Kindern ca. 90 Minuten dauert, ist eine Dreiteilung möglich (1-13, 14-22, 23-31).
Weitere Informationen
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- Details
- Erstellt am 06.04.2010
- Zuletzt bearbeitet am 20.03.2013
- Geschrieben von Uta Mierdel