Individueller heilpädagogischer Förderplan - Ein Beispiel
Dieser Artikel enthält einen exemplarischen heilpädagogischen Förderplan für ein etwa 4 Jahre altes Mädchen in einem Kindergarten.
Laura (Name ist geändert), wurde geboren 2006 und ist seit August 2009 in unserer Einrichtung. Sie ist insgesamt ein fröhliches und aufgewecktes Mädchen, das etwas verspielt wirkt. Für den Tagesablauf benötigt sie direkte Aufgabenstellungen, da sie Handlungsabläufe nicht weit genug vorausschauend planen kann. Diese Aufgabenstellungen müssen kurz und prägnant formuliert werden. Derzeit ist Laura recht langsam beim An- und Ausziehen sowie bei den Mahlzeiten. Hier benötigt sie zusätzliche Motivation und Zuspruch.
Lebenspraxis / Selbständigkeit
Laura wird von uns stets aufgefordert, Aktivitäten im Tagesablauf selbständig zu erfüllen. Dies gelingt ihr meist gut, doch sie benötigt ständige Kontrolle und Anleitung. Beim Essen zeigt Laura jedoch große Fortschritte: Sie hält das Besteck nicht mehr im Faustgriff und verwendet beide Hände. Hierfür ist auch keine Anleitung mehr nötig. Auffallend ist jedoch, dass sie sehr wenig trinkt. Nach Informationen der Mutter ist dies auch zu Hause so. Laura wird von uns daher mehrmals täglich aufgefordert zu trinken. Hier zeigt sie wenig Motivation und trinkt nur schlückchenweise.
Für Toilettengänge benötigt Laura weiterhin Aufforderung. Den Aufforderungen kommt sie problemlos nach. Insbesondere nach dem Frühstück muss sie angehalten werden, auf die Toilette zu gehen, da sie zu dieser Zeit bereits einige Male eingenässt hat. Beim Händewaschen vergisst sie oft noch, ihre rechte Hand zu Waschen und Seife zu verwenden. Wir zeigen ihr, wie sie beide Hände waschen kann. Zur Zeit ist Laura in ihrer Selbständigkeit sehr verlangsamt. Deshalb wird Laura häufig von uns aufgefordert, ihre Aufgaben schneller zu erledigen.
Kommunikation / Sprache
Lauras Sprache hat sich in letzter Zeit deutlich verbessert. Während sie im vergangenen Dezember nach vielen Wiederholungen nur 2-Wort-Sätze sprechen konnte, kann sie nun schon 4- bis 5-Wort-Sätze sprechen. Die Verbesserung des Spracherwerbs ist vor allem auch der logopädischen Behandlung im Hause zu verdanken, die Laura regelmäßig und gerne besucht. Wir bieten Laura während des Tagesablaufes zusätzlich sprachunterstützende Tätigkeiten an, z. B. Memory, Tierdomino, Puzzle u.s.w. Besonders beim Malen spricht Laura sehr viel. Ihre Aussprache ist jedoch durch das zu schnelle Sprechen verwaschen und dyslalisch. Mit Hilfe von Rhythmusspielen üben wir mit Laura das langsame Sprechen.
An manchen Tagen spricht Laura jedoch kaum und beantwortet auch keine Fragen der Erzieherinnen. Daher ist für uns das Ziel, ihre Sprechfreudigkeit noch mehr durch Sprachspiele, Lieder und Reime zu anzuregen.
Auch Lauras Sprachverständnis hat sich deutlich verbessert. Laura versteht nun kurze präzise Anweisungen, kann aber noch nicht zwei Tätigkeiten hintereinander ausführen (z. B. "Gehe auf die Toilette und putze dann deine Zähne"). Bei Angeboten in der Gruppe ist sie sehr zurückhaltend und wirkt eingeschüchtert. Wir wählen sie bewusst häufiger aus und meist beantwortet sie Fragen richtig. Laura versteht einfache Zusammenhänge in Bilderbüchern und kann sie auch mit eigenen Worten wiedergeben.
Die neue Erzieherin in unserer Gruppe spricht nur Englisch. Laura zeigt sich ihr gegenüber sehr aufgeschlossen und zeigt auch hier ein gutes Sprachverständnis. Das Guten-Morgen-Lied auf Englisch singt Laura sehr gut mit. Auch Farben und einige Begriffe kann sie schon sehr gut auf Englisch benennen.
Spiel / Sozialverhalten
Laura kommt jetzt immer mehr aus ihrer passiven Haltung heraus. Sie nimmt selbstständig Kontakt zu den Kindern auf und wird mit in die Spiele einbezogen. Es sind meist kleine Gruppen, bestehend aus maximal 4 Kindern. Sie hat mit den Mädchen in der Gruppe guten Kontakt, spielt aber auch gerne mit den Kindern der Nachbargruppe. Wenn sie niemanden zum Spielen findet, sucht sie sich allein ein Spiel aus, meist ein Tischspiel. An manchen Tagen sucht sie verstärkt die Nähe der Erzieherinnen auf, z. B. malt sie an dem Tisch, an dem die Erzieherin sitzt. An Gruppenangeboten nimmt sie teil, ihre Haltung ist jedoch überwiegend passiv. Wir versuchen, Laura allmählich aktiver in Gruppenangebote einzubeziehen. Dies geschieht durch gezielte Fragestellungen, kleine Aufgabenstellungen, Bildkärtchen, Lieder, Reime etc. Im Garten sucht Laura kaum noch die Nähe der Erzieherinnen auf. Der Garten wird von ihr erforscht, meist im Alleingang.
Grobmotorik
Laura hat eine nach links geneigte und nach rechts gedrehte Kopfhaltung in allen Körperlagen. Dies wurde im SPZ (Sozialpädriatisches Zentrum) festgestellt und konnte auch von unserer Seite bestätigt werden. Auch ihr Gangbild ist sehr auffällig, da sie die Füße nach außen stellt und ihre Knie nach wie vor fast komplett durchstreckt. Es gelingt ihr nicht, die Knie leicht anzuwinkeln. Dies erschwert besonders das Abspringen aus Höhen. Ihr Gangbild hat sich vom staksigen und wackligen Laufen in ein hopsendes Laufen geändert. Nach Aufforderung durch uns haben Lauras Eltern nun all ihre Schuhe mit Einlagesohlen ausgestattet. Dadurch hat sich ihr Gangbild deutlich gebessert.
Seit etwa zwei Monaten ist Laura in allen motorischen Aktivitäten verlangsamt. Dies ist besonders während den Mahlzeiten, beim An- und Ausziehen und beim Wandern zu beobachten. Durch zusätzliche Motivation gelingt es ihr, die Bewegungen schneller auszuführen. Beim Wandern schaut sie oft auf ihre Füße und kommt dabei vom Weg ab. Deshalb geht sie oft an unserer Hand.
Treppen steigt Laura runterwärts im Nachstellschritt und hochwärts im Wechselschritt. Wir nehmen Laura deshalb bei kleinen Erledigungen im Haus oft mit, z. B. beim Wegschaffen des Essenwagens. Dabei wird jeden Tag das Treppensteigen geübt und wir fordern sie zu schnellerem Gehen auf. Die Mutter berichtete, dass auch die Physiotherapeutin mit ihr das Treppensteigen im Wechselschritt übt.
Beim Sport wird Laura in alle Angebote einbezogen, sie braucht hierbei meist Unterstützung von uns. Laura ist jetzt stärker motiviert, neue Bewegungen auszuprobieren. Während des Tagesablaufs geben wir Laura immer wieder die Möglichkeit, bestimmte oder neue Bewegungen auszutesten. Zurzeit benutzt Laura gern das Wackelbrett, womit sie spielerisch ihr Gleichgewicht trainiert und stimuliert. Dabei ist Lauras Körperhaltung auf dem Wackelbrett derzeit noch auffällig, denn sie nimmt eine Fehlhaltung ein (Katzenbuckel-Haltung).
Feinmotorik
In der Feinmotorik ist Laura eingeschränkt wegen ihres Tremors. Dies führt dazu, dass sie bei einigen Angeboten Unterstützung benötigt, z. B. beim Schneiden. Bei einigen anderen Tätigkeiten, z. B. beim Malen, Kneten, Steckspielen und Auffädeln von Perlen zeigt sie jedoch keinen Tremor.
Bei allen feinmotorischen Übungen wird Laura in ihrer Auge-Hand-Koordination gestärkt, wobei hier viel Motivation notwendig ist. Kraftdosierung und Ausdauer sind bei Laura noch sehr gering ausgeprägt, weshalb sie dazu neigt, schnell aufzugeben.
Kognition / Wahrnehmung
Laura zeigt Störungen in der Serialität. Diese Störung der sensorischen Integration wird zusätzlich in einer Ergotherapie trainiert (SI-Therapie). Wir unterstützen Laura im Alltag und bieten ihre kurze Handlungsfolgen an, z. B. den Tisch zu decken. Diese Handlungsfolgen fallen ihr inzwischen leichter.
Komplexere Handlungsabläufe geraten bei Laura allerdings noch durcheinander, insbesondere während der Mittagszeit. Hier haben wir folgenden geregelten Ablauf:
- Die Kinder gehen ins Bad,
- gehen auf die Toilette,
- waschen sich die Hände,
- putzen sich die Zähne,
- ziehen sich aus,
- ziehen ihren Schlafanzug an
- und gehen dann ins Bett.
Diese Reihenfolge gerät bei Laura durcheinander, da sie noch nicht weit genug vorausplanen kann. Oft geht Laura auf die Toilette und bleibt dann verträumt stehen. Sie bittet nicht Erzieherinnen um Hilfe. Laura benötigt kurze und besonders einfach formulierte Aufgabenstellungen. Diese müssen häufig wiederholt werden. Zurzeit motivieren wir Laura verstärkt dazu, uns um Hilfe zu bitten. Allmählich kommt Laura aus ihrer passiven Haltung heraus und bittet uns um Hilfe.
- Details
- Erstellt am 30.05.2010
- Zuletzt bearbeitet am 21.01.2013
- Geschrieben von Diana Saft